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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught
Autoren: Legenden der Liebe
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Möglichkeiten, die dieses Lied andeutete –
verarbeiten konnte, begann er, eine andere Melodie zu spielen, ein liebliches
leises Lied, das sie kannte. »Sing mit mir, querida«, forderte er sie
auf.
    Singen stellte für viele Leute, die
unterwegs waren, einen beliebten Zeitvertreib dar, und so verhielt es sich auch
bei der Bromleigh-Gruppe. An diesem Abend aber fühlte Sherry sich unendlich
scheu und verlegen. Schließlich schloß sie die Augen und dachte nur noch an
die Musik, den Himmel und die Nacht. Sie sang mit Rafe zusammen, und sein
tiefer Bariton bildete den Kontrapunkt zu ihrer hohen Kinderstimme.
    Als Applaus ertönte, öffnete sie die
Augen wieder und sah erstaunt, daß eine kleine Gruppe von Leuten sich genähert
hatte, um ihr zuzuhören.
    Das war nur die erste von vielen
Nächten, in denen sie sang und Rafe Gitarre spielte, und immer strömten Leute
zusammen, um ihnen zuzuhören. Manchmal, wenn sie in einem Dorf oder einer
Stadt waren, spendeten ihnen die Leute aus Begeisterung Essen oder sogar Geld.
In den folgenden Monaten lehrte Rafe sie Gitarre spielen, was sie nie so gut beherrschte
wie er, und er brachte ihr Spanisch bei, das sie schließlich fast so gut sprach
wie er, und Italienisch, das keiner von ihnen besonders gut konnte. Auf
Sheridans Bitte hin behielt er die Leute, mit denen ihr Vater am Spieltisch
saß, genau im Auge, und die Gewinne ihres Vaters wurden höher. Rafe und Patrick
begannen sogar, darüber zu reden, alle möglichen Unternehmungen als Partner
gemeinsam durchzuführen. In Sheridans Ohren klangen diese Pläne immer
schrecklich aufregend, wenngleich äußerst unwahrscheinlich, aber ihr Vater
fand sie immer höchst interessant.
    Der einzige, dem Rafes Anwesenheit
nicht besonders zu gefallen schien, war Schlafender Hund, der den anderen Mann
mit offenkundiger Mißbilligung betrachtete, und sich ihm gegenüber nie mehr als
ein Grunzen abrang– und selbst das nur als Antwort auf eine hartnäckige direkte
Frage. Auch Sherry gegenüber zog er sich mehr und mehr zurück, und als sie
ihren Vater deshalb unglücklich um Rat fragte, meinte dieser, Schlafender Hund
fühle sich sicher zurückgesetzt, weil sie sich jetzt nicht mehr so oft mit ihm
unterhielt wie in der Zeit, bevor Rafe sich ihnen angeschlossen hatte. Danach
achtete Sherry ganz besonders darauf, den Rat des Indianers einzuholen und im
Wagen öfter neben ihm zu sitzen als neben Rafe.
    Frieden und Eintracht hielten wieder
Einzug in ihre kleine Truppe, und alles schien perfekt und beständig ... bis
ihr Papa beschloß, Mamas unverheirateter Schwester in Richmond, Virginia,
einen Besuch abzustatten.

Sechstes Kapitel

    Sheridan war begeistert davon gewesen, ihre
einzige lebende Verwandte kennenzulernen, aber dann fühlte sie sich in Tante
Cornelias kleinem, stickigem Haus fehl am Platz. Vor allem hatte sie Angst,
eines der zerbrechlichen Nippesfigürchen kaputtzumachen oder die
taschentuchgroßen Spitzendeckchen, die auf jedem freien Fleck lagen, zu
beschmutzen. Trotz aller Vorsicht wurde Sherry das gräßliche Gefühl nicht los,
daß ihre Tante sie nicht sehr mochte, und daß sie alles, was ihre Nichte sagte
oder tat, aufs äußerste mißbilligte. Dieser Verdacht bestätigte sich, als sie
zwei Tage nach ihrer Ankunft zufällig eine demütigende Unterhaltung zwischen
ihrem Vater und ihrer Tante belauschte. Sherry hatte auf der Kante eines
Hockers gesessen und auf die Straße hinuntergeschaut, als gedämpfte Stimmen im
Nebenzimmer und die Erwähnung ihres Namens sie veranlaßten, sich überrascht
und neugierig umzudrehen.
    Sie stand auf und drückte ihr Ohr an
die Tür. Schon nach kurzer Zeit bestätigte sich ihr Verdacht: Tante Cornelia,
die an einer Schule für junge Mädchen aus reichen Familien Anstandsunterricht
gab, war mit Sheridan Bromleigh überhaupt nicht zufrieden. Zornig schimpfte sie
auf Patrick Bromleigh ein: »Man sollte dich mit der Reitgerte auspeitschen
dafür, wie du dieses Kind aufgezogen hast.« In einem verächtlichen und
respektlosen Tonfall, den Sheridans Vater normalerweise bei niemandem
toleriert und schon gar nicht so schweigend erduldet hätte, wie er es jetzt
offensichtlich tat, wütete Tante Cornelia weiter: »Sie kann nicht lesen, sie
kann nicht schreiben, und als ich sie fragte, ob sie ihre Gebete kennt, teilte
sie mir mit, daß sie 'nicht allzu viel vom Niederknien' hält. Und dann erklärte
sie mir – ich zitiere –, daß 'der liebe Gott wahrscheinlich bibelfesten
Predigern nicht lieber zuhört
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