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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
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    J ana weiß was. Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben. Nein, Ehebruch ist das falsche Wort, das wäre vollkommen übertrieben. Wir sind schließlich nicht verheiratet, wir wohnen bloß zusammen. Ist ja auch ganz praktisch; man kann sich was Größeres leisten und spart Geld. Von Ehebruch kann also keine Rede sein, weil da gar keine Ehe ist, die gebrochen werden könnte. Es ist auch noch nichts passiert, was man als Bruch bezeichnen müsste. Ein Knacken im Gebälk, mehr nicht. Jana weiß nichts. Aber manchmal bringt sie mich aus der Fassung, wenn sie die Stirn in Falten legt und mich mit zusammengekniffenen Augen mustert. Wenn sie so schaut, bin ich vorsichtig mit allem, was ich sage. Ich erzähle dann etwas, das sie schon weiß. Das zerstreut ihren Zweifel, noch bevor sie weiß, dass sie einen hatte. So was lernt man, wenn man acht Jahre lang zusammen ist.
    Die andere heißt Theodora, Theodora Zvarovska. Ein prächtiger Name, man denkt sofort an ein Rasseweib aus einem bürgerlichen Jahrhundert, an dunkle Blumen, schwere Vorhänge, an sündige Klavierstunden. Theodoras Äußeres passt zu dieser Vorstellung. Sie ist groß; auf hohen Absätzen überragt sie mich, ich bin ein Meter achtzig. Ihr Gesicht hat, jedenfalls solange sie nicht lacht, etwas Aristokratisches, vermutlich durch die hohen Wangenknochen und das spitze Näschen. Wie eine Steppenprinzessin sieht sie aus, meine Theodora; irgendwo, irgendwann muss sich ein Hunnenkrieger in diesen Stammbaum eingeschlichen haben. Ihr Haar ist dunkelbraun und glatt. Manchmal steckt sie es hoch, was ich bei anderen Frauen nicht ausstehen kann, da es das Gesicht verlängert – eine Frisur für Grundschullehrerinnen und bleichgesichtige Tagebuchmädchen.
    Aber bei Theodora ist das anders. Wenn sie ihr Haar hochsteckt, erscheint sie noch größer, noch schlanker, noch vornehmer, und obwohl das unglaubwürdig klingen muss: Ihr Busen ist dann prominenter, ihre mittelgroßen Brüste wirken auf einmal runder und schwerer. Warum das so ist, kann ich mir auch nicht erklären.
    Bei uns auf der Arbeit geht es eher locker zu, was Kleidung angeht. Ich trage meistens die klassische Kombination, eine Jeans und darüber Hemd und Jackett, aber keine Krawatte, wie die Kollegen auch. Nur Emil kommt im Trainingsanzug. Er hat nur ein einziges Hemd, behauptet er, für Weihnachten. Theodora kommt immer im Hosenanzug, auf hohen Absätzen und mit einem kleinen Handtäschchen. Grazil schreitet sie den Gang entlang. Wenn sie zur Arbeit kommt, meistens eine halbe Stunde später als ich, höre ich ihre Schritte schon von Weitem. Ich stelle mich hinterm Türrahmen auf, sodass ich, wenn sie an meinem Büro vorbeiläuft, einen Hauch von ihrem Duft aufschnappen kann; sie benutzt immer dasselbe Parfum, es heißt Olazra Blue , und unter dem Parfum rieche ich die Frau.
    Wir treffen uns zu festen Zeiten an festen Orten. Donnerstags zum Beispiel bleibt sie oft länger im Büro. Dann richten wir es so ein, dass wir einander in der Raucherecke begegnen. Ich rauche eigentlich nur auf Festen, aus Geselligkeit. Wenn Theodora mir eine anbietet, dann rauche ich mit, ansonsten nicht. Einmal verschluckte ich mich am Rauch und musste husten. »Geht es?«, fragte sie. Ich wollte nicht, dass sie meinen roten Kopf sah, deshalb bin ich schnell weggegangen, zur Kaffeemaschine. Das ist ein anderes kleines Ritual, über das wir uns näherkommen. Ich hole oft Kaffee für Theodora, nicht zu oft, das würde auffallen, so ein- oder zweimal pro Woche. Mit viel Milch und einem Stückchen Süßstoff.
    An dem Abend, als ich mich am Rauch verschluckt habe, hat Jana zum ersten Mal ihren skeptischen Blick aufgesetzt. Vielleicht war es der Zigarettengeruch, der ihren Verdacht erregt hat. Ich hasse den skeptischen Blick, am liebsten hätte ich ihr erzählt, wie schön Theodora ist, um sie ein wenig eifersüchtig zu machen; nicht allzu plump natürlich. Ich hätte dann etwa gesagt: »Weißt du was? Ich glaube, Emil will was von Theodora. Theodora? Du weißt doch, die, die die Männer bei uns die Steppenprinzessin nennen? Emil schwärmt die ganze Zeit von ihren Augen … so dunkel und geheimnisvoll.« Jana hat hellbraunes Haar und blaue Augen, wässriges Blau. Früher trug sie manchmal farbige Kontaktlinsen, grün oder braun, aber inzwischen hat sie das aufgegeben. Ich habe übrigens meinen Mund gehalten an jenem Abend. Jana hatte Rouladen gemacht, mein Lieblingsessen, da wollte ich die Stimmung nicht verderben.
     
    Es
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