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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught
Autoren: Legenden der Liebe
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erinnerte sich daran, wie ihre Mama
beim Waschen immer gesummt hatte, während Sheridan auf den kleinen Jamie
aufpaßte, der im Wasser herumplantschte. Sie mußte daran denken, wie Jamie
fröhlich brabbelnd im Fluß saß und mit seinen Patschhändchen in spielerischer
Freude auf das Wasser schlug. Mama hatte so gerne gesungen; sie hatte Sheridan
englische Lieder beigebracht, die sie dann gemeinsam bei der Arbeit sangen.
Manchmal hörte sie auf zu singen und lauschte einfach nur Sheridans Gesang, mit
geneigtem Kopf und einem seltsam stolzen Lächeln auf den Lippen. Oft zog sie
dann Sheridan eng an sich und sagte etwas Wundervolles, wie »Deine Stimme ist
so süß, etwas ganz Besonderes – genau wie du!«
    Bei der
Erinnerung an diese idyllischen Tage brannten Sheridans Augen, während sie am
Fluß kniete. Die Worte von Mamas Lieblingslied gingen ihr durch den Kopf, und
wie sie erst Jamie anlächelte, der gluckste und plantschte, und dann sie
selbst, Sheridan, die für gewöhnlich ebenfalls ganz durchnäßt war. »Sing uns
etwas vor«, hatte die Mutter so oft gebeten. »Sing für uns, mein Engel.«
    Sheridan
versuchte, dieser Aufforderung aus der Vergangenheit nachzukommen, aber ihre
Stimme versagte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wischte sich mit
dem Handrücken über die Augen, und entdeckte plötzlich mit Schrecken, daß das
Hemd ihres Vaters mittlerweile flußabwärts und schon außerhalb ihrer
Reichweite schwamm. In diesem Moment gab Sheridan den Kampf auf, tapfer und erwachsen
zu sein. Sie zog die Knie an die Brust, barg ihr Gesicht in Mamas Schürze und
schluchzte herzzerreißend. Inmitten von wilden Sommerblumen und dem Duft von
frischem Gras wiegte sie sich vor und zurück und weinte, bis ihre Kehle
schmerzte und die Worte nur noch als krächzende, flüsternde Laute kamen.
    »Mama«, weinte sie, »ich vermisse
dich, ich vermisse dich, ich vermisse dich. Ich vermisse Jamie. Bitte komm zu
Papa und mir zurück. Bitte komm zurück, bitte komm zurück. O bitte. Ich schaffe
es nicht alleine, Mama. Ich schaffe es nicht, ich schaffe es nicht ...«
    Plötzlich wurde ihre kummervolle
Litanei von der Stimme ihres Vaters unterbrochen – nicht von der monotonen,
leblosen, erschreckend unvertrauten Stimme, die sie seit Monaten hören mußte,
sondern von seiner alten Stimme, die nun rauh klang vor Sorge und Liebe. Er
hockte sich neben sie und nahm sie in die Arme. »Ich schaffe es auch nicht
alleine«, sagte er und wiegte sie fest in seinen Armen, »aber ich wette,
zusammen könnten wir es schaffen, meine Süße.«
    Später, als er ihre Tränen
getrocknet hatte, sagte er noch: »Was hältst du davon, wenn wir von hier
weggehen und ein wenig herumreisen, nur du und ich? Wir werden aus jedem Tag
ein Abenteuer machen. Früher habe ich viele Abenteuer bestanden. So lernte ich
auch deine Mama kennen: Ich erlebte gerade ein Abenteuer in England, in
Sherwyn's Glen. Eines Tages werden wir beide nach Sherwyn's Glen zurückkehren.
Allerdings nicht so, wie deine Mama und ich es verlassen haben. Wir werden in
großem Stil zurückkehren.«
    Bevor Sheridans Mama gestorben war,
hatte sie ihr voller Heimweh von dem malerischen Ort in England erzählt, in dem
sie geboren war, von der wunderschönen Landschaft, von den baumgesäumten
Straßen und den Tanzveranstaltungen im Gemeindesaal, an denen sie stets
teilgenommen hatte. Sie hatte Sheridan sogar nach einer Rosensorte benannt, die
im Pfarrhausgarten blühte, einer ganz außergewöhnlichen roten Rose, die üppig
am weißen Zaun um das Pfarrhaus herum wucherte.
    Die Besessenheit von Sheridans
Vater, nach Sherwyn's Glen heimzukehren, hatte anscheinend nach dem Tod ihrer
Mutter begonnen. Allerdings fragte Sheridan sich lange Zeit verwirrt, warum
Papa so unbedingt dorthin zurückgehen wollte, vor allem, da der wichtigste Mann
im Ort angeblich ein böses, stolzes Ungeheuer namens Squire Faraday war, der
sich jedem gegenüber als Herr aufspielte. Er würde sicher keinen guten
Nachbarn abgeben, wenn ihr Vater seinen Plänen entsprechend direkt neben ihm
sein Haus baute.
    Sie wußte, daß ihr Papa Squire
Faraday kennengelernt hatte, als er ein äußerst wertvolles Pferd aus Irland
ablieferte, das der Squire für seine Tochter gekauft hatte, und sie wußte auch,
daß ihr Vater, da er in Irland keine nahen Verwandten mehr besaß, beschlossen
hatte, als Knecht und Pferdetrainer für den Squire zu arbeiten und in Amerika
zu bleiben. Aber erst im Alter von elf Jahren erfuhr sie, daß der
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