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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught
Autoren: Legenden der Liebe
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ihre Hand angehalten hatte, was
blieb ihr dann anderes übrig, als seinen Antrag anzunehmen? Und dann würden
sie, zur neidvollen Überraschung aller in Richmond, Virginia, heiraten. Danach
würde er sie und Tante Cornelia in seine wunderschöne Villa auf dem Hügel
mitnehmen, und dort würde er sich allein der Aufgabe widmen, sie glücklich zu
machen, und ihre drängendste Sorge würde ihren Kleidern gelten. Er würde ihr
auch helfen, ihren Vater zu finden, der dann ebenfalls bei ihnen wohnen würde.
    Wenn sie allein in der Dunkelheit
lag, spielte es keine Rolle, daß sie einem solchen Mann nie begegnen würde und
daß er ihr, sollte sie wider Erwarten doch auf so ein vollkommenes Exemplar
stoßen, nicht auch nur den kleinsten Blick schenken würde. Morgens kämmte sie
ihre dicken roten Haare aus der Stirn und schlang sie im Nacken zu einem
praktischen Knoten zusammen. Und wenn sie dann zur Schule ging, wäre keiner je
auf den Gedanken gekommen, daß die nüchterne Miss Bromleigh, die von ihren
Schülerinnen bereits als alte Jungfer betrachtet wurde, tief in ihrem Herzen
unheilbar romantisch fühlte.
    Sie hatte jedem, sogar sich selbst,
vorgetäuscht, ein Muster an Tüchtigkeit und Effizienz zu sein. Und jetzt würde
Charise wegen Sheridans grenzenlosen Selbstvertrauens statt eines Lords einen
ganz gewöhnlichen Mann heiraten, der ihr, wenn es ihm beliebte, das Leben zur
Hölle machen konnte. Und wenn Charises Vater nicht an seinem Zorn und einem
gebrochenen Herzen starb, dann würde er den Rest seines Lebens zweifellos damit
zubringen, nach wirkungsvollen Methoden zu suchen, um Sheridan und Tante
Cornelia das Leben schwer zu machen. Und die arme furchtsame Meg, die sich fünf
Jahre lang als Charises Zofe aufgearbeitet hatte, würde sicher ohne Zeugnis
hinausgeworfen werden und besäße damit kaum mehr eine Aussicht auf eine
anständige Stelle in der Zukunft. Und das waren noch die günstigsten
Perspektiven!
    Als Voraussetzung dafür mußte es Meg
und Sheridan irgendwie gelingen, nach Hause zurückzukehren. Wenn Meg jedoch
recht hatte, und Sheridan teilte zumindest halbwegs ihre Überzeugung, dann
würde Meg den Rest ihres Lebens in einem Gefängnis zubringen, mit Sheridan
Bromleigh – der »vernünftigen, kompetenten« Sheridan Bromleigh – als ihrer
Zellengenossin.
    Tränen der Angst und des
Schuldgefühls traten in Sherrys Augen, als sie an das Unheil dachte, das sie
heraufbeschworen hatte. Das kam alles nur wegen ihres naiven Selbstvertrauens
und des albernen Wunsches, das prächtige London und die vornehmen Aristokraten
zu sehen, über die sie in ihren Romanen gelesen hatte. Sie hätte auf Tante
Cornelia hören sollen, die ihr seit Jahren gepredigt hatte, daß ihre Sehnsucht
nach derart sagenumwobenen Stätten nichts weiter war als ein Griff nach den
Sternen, daß Stolz in den Augen des Herrn ebenso eine Sünde darstellte wie
Habgier und Faulheit, und daß Männer Bescheidenheit bei einer Frau weit mehr
schätzten als die bloße Schönheit.
    Mit den ersten beiden Überzeugungen
hatte Tante Cornelia sicher recht gehabt, stellte Sheridan nun verspätet fest.
Sherry hatte versucht, auf die Warnungen ihrer Tante zu hören, aber zwischen
ihnen beiden gab es einen großen Unterschied, der es für Sherry äußerst
schwierig gestaltete, vor der Reise nach England auf ihre guten Ratschläge
einzugehen: Tante Cornelia liebte das Vorhersehbare. Sie war eine glühende
Verfechterin von Ritualen und schätzte es, wenn jeder Tag gleich ablief. Genau
über diese Routine aber hätte Sheridan vor Verzweiflung manchmal weinen mögen.

Viertes Kapitel

    Als sie nun in der winzigen Kabine
blicklos auf die arme Meg starrte, wünschte Sherry sich inbrünstig, wieder zu
Hause in Richmond zu sein, in dem kleinen Dreizimmerhaus, das sie mit ihrer
Tante zusammen bewohnte, dieser gegenüber zu sitzen, an einer Tasse lauwarmen
Tees zu nippen und die Aussicht auf ein ganzes Leben voll lauwarmem Tee und Langeweile
vor sich zu haben.
    Wenn allerdings Meg mit den
britischen Gesetzen recht hatte ... dann würde Sheridan niemals mehr nach Hause
zurückkehren und ihre Tante nie mehr wiedersehen. Allein der Gedanke daran
erfüllte sie mit Entsetzen.
    Als sie vor sechs Jahren zu der
älteren Schwester ihrer Mutter gezogen war, hätte die Aussicht, Cornelia
Faraday nie mehr wiederzusehen, Sheridan entschieden fröhlich gestimmt, damals
jedoch hatte ihr Vater ihr keine Wahl gelassen. Bis dahin war sie mit ihm
zusammen kreuz und quer übers Land
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