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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Autoren: Bettina Haskamp
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Gerade schlich Kater Paul aus der Küche, das schwarze Fell weiß gepudert. Ich folgte Paul ins Wohnzimmer, zurück auf mein Sofa, wo der Kater mir auf den Schoß sprang und schnurrte, während ich das Mehl aus seinem Fell auf meinen Rock streichelte. Aber Knut räumte nicht etwa die Küche auf, sondern kam uns nach.
    Er setzte sich mit geradem Rücken auf die Kante des Fernsehsessels und beugte sich dann mit aufgestützten Ellenbogen vor. Die Haltung erinnerte mich an meinen Vater am Tag der Zeugnisvergabe in der achten Klasse, als meine Mutter ihn gezwungen hatte, mit mir über die Fünf in Geschichte zu reden. Von einer liebevollen Umarmung war ich offenbar so weit entfernt wie die Jungfrau Maria von einem erfüllten Sexualleben. »Also gut, Lilli, dann erzähl halt. Was war diesmal mit der Berger?« – »Vergiss es, du musst hier kein Interesse heucheln.« – »Lilli, rede keinen Unsinn, natürlich interessiert es mich, wenn du Ärger hast.« Aber sicher, ungefähr so sehr wie eine Strickanleitung für Socken. Ich schwieg. Knut seufzte. »Wenn die Frau dich so nervt, bewirb dich doch auf eine andere Stelle. In eurem Riesenladen wird es ja wohl was Interessantes für dich geben.« War doch klar, dass er mit einem Rat um die Ecke kommen würde. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich wollte keinen Rat, sondern Trost. Übrigens hatte ich natürlich längst sämtliche Stellenausschreibungen am Schwarzen Brett gelesen. Es gab nichts auch nur halbwegs Interessantes. Und schon gar keine Stelle, bei der ich gelegentlich mit Mario Adorf oder Vitali Klitschko plaudern konnte. »Sehe ich doch gar nicht ein, dass ich gehe, wenn die Berger sich danebenbenimmt, ich lass mich von der doch nicht vertreiben!« – »Hast du nicht eben gesagt, du willst da nicht mehr hin?« – »Ich will aber auch nicht, dass die Berger gewinnt. Und ich will schon gar nicht wegen der die nächsten zwanzig Jahre einen langweiligen Job in der Verwaltung machen.« – »Lilli, die Frau ist deine Vorgesetzte, die gewinnt sowieso. Also musst du entweder gehen oder dich mit ihr arrangieren. Denk doch mal logisch.« Mit Knut konnte man einfach nicht vernünftig reden. Er stand auf. »Bringst du die Küche in Ordnung und machst was zu essen? Ich hatte einen verdammt langen Tag und würde jetzt gern duschen.«
    Ich widerstand der Versuchung, ihm die Eier vom Fußboden als Rührei zu servieren. Stattdessen machte ich sauber und holte eine Packung Nudeln mit Soße aus dem Schrank. Natürlich ging mir durch den Kopf, was Knut eben gesagt hatte. Aufhören oder mich arrangieren. Die beiden Worte summten in meinem Kopf, während ich in der siedenden Soße rührte und noch ein bisschen Wein trank. Arrangieren, das hatte so was von Weichei. Kam nicht in Frage. Aufhören klang schon besser. Viel besser. Das klang nach Veränderung. Nicht nach: »Bleib, wie du bist, Lilli.« Vielleicht sollte ich in der Tat aufhören. Und zwar ganz. Gar nicht mehr arbeiten, jedenfalls nicht als Sekretärin. Warum eigentlich nicht? Andere Frauen in meinem Alter gingen doch auch noch mal ganz neue Wege. Mitten in meine Gedanken zischte überkochendes Wasser. Ich nahm schnell den Deckel vom Nudeltopf. Neulich erst hatten wir diese Mutter in der Sendung, die quasi über Nacht reich geworden war. Was hatte die noch verkauft? Selbstgemachte Filzpantoffeln und Kinderkleidung? Na gut, filzen konnte ich nicht, aber so was ließ sich ja lernen. Ach Quatsch. Was dann? Schauspielschule? Töpfern? Kreatives Schreiben? Ich träumte vor mich hin, sah mich als Bestsellerautorin, als gefeierten Bühnenstar mit einer todschicken Wohnung in Hafen-City, selbstverständlich mit Dachterrasse samt Blick auf die Elbe. Träumen durfte man ja. Und immerhin hatte ich schon ein Pseudonym. Ich war Lillian Reich.
    Knut kam in seinem rot-schwarz gestreiften Bademantel in die Küche. Morgens sieht er darin aus wie Dittsche, aber abends, nach der Dusche, mehr wie ein angejahrter Playboy. Ich schnupperte. Zitrus, Lavendel und Sandelholz. »Intimately Yours« von David Beckham. Das Rasierwasser hatte ich ihm zu Weihnachten geschenkt. Ob das was zu bedeuten hatte? Wahrscheinlich nicht. Selbst Knut musste klar sein, dass ich heute wohl kaum mit ihm kuscheln würde. Wollte ich sowieso eher selten. »Zieh dir besser was an, Julia kommt gleich noch vorbei«, sagte ich.
    Eine Weile aßen wir schweigend. »Du, Knut?« – »Hm?« – »Vielleicht hast du recht.« – »Womit jetzt im Einzelnen?« – »Damit, dass
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