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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Autoren: Bettina Haskamp
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ich gehen muss.« – »Sag ich doch.« – »Ich meine keine andere Stelle beim Sender. Ich meine: wirklich aufhören. Kündigen. Was ganz anderes machen. Schließlich bin ich erst sechsundvierzig.« Knut sah mich an, als hätte ich gerade ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert. Ein offensichtlich krankes Kaninchen. »Was anderes? Und was soll das sein?« So genervt, wie er schon wieder guckte, war es vielleicht besser, nichts von meiner künftigen Karriere als Autorin, wahlweise Schauspielerin, zu sagen. »Ich müsste mich halt informieren. Ich meine, andere Frauen in meinem Alter starten doch auch noch mal neu durch.« – »Als ob wir uns das leisten könnten.« – »Könnten wir vielleicht schon, wenn …« – »Wenn was? Wenn wir unseren Traum aufgeben?« Ach Gott, ja. Unser Traum. Genauer gesagt, sein Traum. Ein Häuschen oder ein Resthof am Stadtrand, mit ganz vielen Tieren. »Was ist bloß heute los mit dir, Lilli?«
    Das schaurige Brüllen eines Löwen enthob mich einer Antwort. Unsere Türklingel. Seit wir dieses MP3-fähige Modell hatten, erschreckte ich mich immer halb zu Tode, wenn Besuch kam. »Knut, bitte spiel da endlich eine anständige Melodie drauf.« Lachend ging er zur Tür. Dieser Kindskopf. Jetzt musste ich auch lächeln. Ich glaube, es war das erste Mal an diesem Tag.
    Heiseres Gekläff wischte mir das Lächeln wieder aus dem Gesicht. O nein! Das war leider kein Klingelton aus Knuts Sammlung. Das war live. »Herkules – aus!«, hörte ich Julias helle Stimme gegen das Kläffen anschreien. Sie hatte ihre Bestie mitgebracht. Ihre gemeingefährliche, bösartige Bestie im Gewand eines winzigen weiß-braunen Jack-Russell-Terriers mit Knopfaugen. Sobald ich einen Fuß in den Flur setzte, fletschte das Biest die streichholzlangen Fangzähne und knurrte mich an.
    Unsere Diele war von einer Sekunde zur anderen geschrumpft. Das lag nicht am Hund, das war der Julia-Effekt. Nur der liebe Gott weiß, wie ich zu einer ein Meter einundachtzig großen Tochter kam, die aussah wie eine Kreuzung aus Gisele Bündchen und Sterneköchin Cornelia Poletto. Julia stellte gerade eine große Tasche ab und versuchte, ihren Mantel auszuziehen, obwohl sie noch die Hundeleine mit dem daran zerrenden Köter in der Hand hielt. Knut nahm ihr das Tier ab. Julia trug einen hellgrauen, auf Figur geschnittenen Hosenanzug, dazu eine zartrosafarbene Bluse und halbhohe Stiefeletten. Als müsste sie gleich noch zu einem Fotoshooting für Businessmode. Fernsehwerbungsreif schwang der glänzende, perfekt gesträhnte und gestufte blonde Bob um ihren zarten Hals, als sie sich jetzt umdrehte und in Richtung Wohnzimmer ging. Wieso schimmerte ihr Haar immer so fein? Wie machte sie das? Ich selbst konnte noch so viel Geld in den edelsten Frisörsalon Hamburgs tragen, spätestens nach zwei Tagen waren meine braunen Haare wieder stumpf.
    »Habt ihr ein Glas Weißwein für mich, einen trockenen bitte?«, rief sie über die Schulter. Während Knut, der Freund aller Tiere, den Hund beruhigte und ihr folgte, holte ich den Wein und für Knut ein Bier.
    Julia saß inzwischen auf dem Sofa, die langen Beine mit zur Seite geneigten Knien in perfekter Parallele. Neben ihr hockte der Hund. Die Katzen waren nirgends zu sehen. Ich drückte Julia ihr Glas in die Hand und ging schnell wieder auf Abstand, weil die Bestie mich schon wieder anknurrte. »Schön, dich zu sehen, Kind. Ist alles im Lot bei dir?« Sie nickte und sah mich aus ihren großen graublauen, dezent geschminkten Augen an. Manchmal haben wir uns gefragt, ob sie vielleicht im Krankenhaus vertauscht worden ist, aber die Augen hat sie eindeutig von ihrem Großvater väterlicherseits und den kleinen Leberfleck neben dem rechten Auge von mir.
    Sie nippte an ihrem Wein. »Ich muss morgen für ein paar Tage nach Zürich.« Das war wenig überraschend, Julia war dauernd unterwegs. Sie arbeitete für einen Global Player, wie das heute so schön heißt. Wenn mich jemand fragte, was genau Julia beruflich machte, musste ich auf ihre Visitenkarte gucken. Da stand: Julia Karg, Corporate Finance, M&A Accounting. Alles klar? Also mir nicht. Aber es hatte mit Bilanzen und viel Geld zu tun. Sie war mit ihren knapp siebenundzwanzig Jahren schon ganz schön weit gekommen. Nicht weit genug, wie wir jetzt erfuhren. »Ich nehme an einem Assessment-Center teil, und wenn ich da bestehe …« Ein Leuchten glitt über ihr sonst immer so ernstes Gesicht. »Klingt nach Scientology«, meinte Knut, und das Leuchten
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