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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Autoren: Bettina Haskamp
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trübte den Himmel, und ich zog die Jacke aus. Ein bisschen konnte ich schon noch bleiben.
    Das Mädchen im Stuhl mir gegenüber klappte das Buch zu, zog seine Jacke an und ging. Ich stellte Jackie auf den freien Stuhl und sah mich um. Nach wie vor war es voll. Einen Tisch weiter saß jetzt ein Pärchen und diskutierte aufgeregt. Vor den beiden lag ein ganzer Stapel Bücher. Eine alte Dame hatte wie ich vorhin die Augen geschlossen und hielt die kleine Nase in die Sonne. Leute mit Einkaufstaschen liefen vorbei, aber heute wirkte kaum jemand gestresst. Fast alle lächelten die Sonne an. Ich sah keinen einzigen Menschen im Jogginganzug, aber hier gab es ja auch keine Eichhörnchen wie bei uns in Niendorf. Aus dem Buchladen kam eine Frau und ließ den Blick suchend über die Tische schweifen. So ein Audrey-Hepburn-Typ, aber mit Patina und in Größe L. In der einen Hand hielt sie verschiedene Tüten, in der anderen balancierte sie eine Tasse Kaffee. Ich nahm Jackie wieder an mich, lächelte ihr aufmunternd zu und zeigte auf den freien Stuhl. Wenn ich Glück hatte, war sie Touristin.
    »Danke, sehr freundlich von Ihnen.« Sie stellte die Kaffeetasse und die Tüten ab und ließ sich sichtlich erleichtert in den Korbstuhl sinken. »Puh. So ein Shoppingtag schafft ganz schön.« Sie war älter als ich. Kurz über, vielleicht auch Mitte fünfzig. Sehr gepflegte Erscheinung. Ein feingeschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen und sehr dunklen Augen. Während sie nach ihrer Kaffeetasse griff, registrierte ich die perfekt manikürten Nägel, das schicke schwarze Kostüm, die frech gemusterte bunte Seidenbluse, die kurzen gewellten schwarzen Haare mit den feinen grauen Strähnen. Distinguiert war das Wort, das mir sofort in den Kopf kam. Sympathisch. Über den Rand ihrer Tasse lächelte sie mich an. Mit halbem Ohr hörte ich der Diskussion am Nebentisch über irgendeinen schwedischen Schriftsteller zu und überlegte gleichzeitig, wie ich die Dame in Schwarz ansprechen könnte. Sie kam mir zuvor.
    »Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen?« Eine heisere, tiefe Stimme und ein ganz leichtes Lispeln. »Aber natürlich.« – »Sind Sie Hamburgerin?« Ich nickte. »Dann können Sie mir vielleicht einen Tipp geben. Wissen Sie, ich fahre übermorgen zurück nach München und würde meiner Schwester gern ein Hamburg-Souvenir mitbringen, aber es muss nun nicht gerade eine Wappentasse oder so etwas sein. Bisher habe ich einfach noch nichts finden können, was mit Hamburg zu tun hat und nicht kitschig ist.« Tadamtadamtadam! Sie war Touristin.
    Welche Geschichte sollte ich ihr erzählen? Wonach war mir heute zumute? Nicht nach Ärztin ohne Grenzen. Lieber etwas Exotischeres, Fröhlicheres. Kaum hatte ich »exotisch« gedacht, kam mir erst einmal eine Idee für ihr Geschenkproblem. »Waren Sie schon im Gewürzmuseum in der Speicherstadt? Da findet sich eigentlich immer etwas zum Mitbringen, und so ein Museum gibt es nur hier in Hamburg.« – »Ach? Nein, davon habe ich noch nicht gehört, aber das klingt interessant. Mal sehen, ob ich das morgen noch schaffe. Auf jeden Fall danke für den Tipp.« – »Gern. Besuchen Sie jemanden in Hamburg?« Sie zögerte kurz. »Nein, ich habe beruflich hier zu tun. Stört es Sie, wenn ich rauche?« – »Wir sind ja draußen, rauchen Sie ruhig.«
    Sie holte eine Schachtel Roth-Händle aus ihrer Handtasche, steckte sich eine der filterlosen Zigaretten an und inhalierte genussvoll. Ich hatte eigentlich mit einer Zigarettenspitze gerechnet. Die Raucherin sah man ihr nicht an. Kaum Falten und eine gesunde Gesichtsfarbe. Aber vielleicht hatte sie das Rauchergrau auch nur gut überschminkt. »Ich dachte, die Marke gäbe es gar nicht mehr«, sagte ich. »Die hat mein Vater geraucht, bis wir ausgewandert sind.« Inzwischen hatte ich mich für eine Geschichte entschieden. Sie deutete auf die Schachtel. »Doch, es gibt sie noch, aber sie sind nicht mehr so stark wie früher.« Sie lachte, und um ihre Augen zeigten sich jetzt doch reichlich Fältchen. »Ausgewandert? Wohin denn? O Verzeihung, ich bin mal wieder zu neugierig.« – »Aber gar nicht!« Fast hätte ich vor Glück gejauchzt. Touristin und neugierig war für mich schließlich die perfekte Kombination. »In die Sierra Parima, das ist an der Grenze zwischen Venezuela und Brasilien.« Sie guckte beeindruckt. Beeindruckt und interessiert. Ich hatte sie. – »Das klingt nicht gerade nach Zivilisation.« Sie warf einen Blick auf meine Gucci. »Wie
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