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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Autoren: Bettina Haskamp
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doch völlig recht.« Vielen Dank, das war genau, was ich hören wollte. »Ich muss jetzt in ein Meeting«, sagte meine Tochter mit Hektik in der Stimme, »übrigens komme ich nachher bei euch vorbei.«
    Ich überlegte kurz, ob ich Knut anrufen sollte, ließ es aber sein. Im Zoo wurde heute eine neue Folge »Leopard, Seebär & Co« aufgezeichnet. Knut war wahrscheinlich gerade dabei, vor laufender Kamera Affenspielzeug zu basteln. Kein guter Zeitpunkt.
    Um kurz nach sieben hörte ich Lärm im Treppenhaus und dann Knuts Schlüssel im Wohnungsschloss. Ich lag wieder auf dem Sofa. Das Bild »Unglückliche Frau auf blauem Plüsch« wurde inzwischen durch ein Glas mit hübsch kontrastierendem dunkelrotem Wein auf dem Beistelltisch ergänzt. Die Farbe gefiel mir so gut, dass ich schon zweimal nachgeschenkt hatte. Auf meinem Schoß befanden sich das schnurlose Telefon und ein Zettel mit der Nummer der Telefonseelsorge. Ganz schön übertrieben? Schon möglich. Aber ich habe nun mal einen Hang zum Drama. Und ich fühlte mich schrecklich allein. Allein, unverstanden, unterschätzt und abgelehnt. Ungeliebt. Gefangen in einem Leben, das ich meiner ärgsten Feindin nicht wünschen würde. Na gut, der schon.
    Aber jetzt kam ja Knut. Mein Mann. Der mir zuhören, der mich verstehen, der mir Trost und Halt geben würde. In seine starken Arme wollte ich mich werfen, mein Leid ihm klagen, und zwar sofort. Ich sprang auf – Telefon und Zettel landeten auf dem Boden –, rannte zur Tür und riss sie auf. Vielleicht ein bisschen zu plötzlich.
    »Aua!« Knut war an seinem Schlüsselanhänger hängengeblieben und gegen die beiden Bierkisten gestolpert, die er vor der Tür aufgestapelt hatte. Lidl-Tüten umkränzten seine Füße. Eine war umgekippt, weshalb jetzt ein streng riechender Harzer durch den Hausflur rollte. Knut starrte mich verblüfft an. Möglicherweise deshalb, weil ich schon ziemlich lange nicht mehr erwartungsfroh die Tür aufgerissen hatte, nur weil mein Gatte nach Hause kam. Das letzte Mal konnte durchaus ein paar Jahre her sein. Oder Jahrzehnte. Egal. Heute wollte ich seine Nähe. Aber in Anbetracht der Bierkästen zwischen uns fiel das In-die-Arme-Werfen wohl erst einmal aus. Blieb noch spontanes Leidklagen. Doch hier, so zwischen Tür und Angel? Warum eigentlich nicht? »Du glaubst nicht, was die Berger heute gebracht hat, die ist derart unmöglich, die hasst mich, die will mich kleinmachen, die hat mich vor dem versammelten Team total gedemütigt, ich geh da nicht mehr hin!« Jetzt guckte Knut nicht mehr verblüfft, sondern so, als hätte ich ihn gebeten, sofort die Steuererklärung zu machen. »Kann ich vielleicht erst einmal reinkommen?«
    Er räumte die Einkäufe in den Wohnungsflur, sammelte den Harzer Roller auf, zog die Tür hinter sich zu und schälte sich dann in aller Ruhe aus seiner Jacke. Wie immer, wenn er von der Arbeit kam, umwehte ihn ein leichter Geruch von Dung. Die starken Arme hat Knut vom steten Stallausmisten. Ich stand neben der Garderobe und wartete. Auf eine Umarmung, ein tröstendes Küsschen, irgendwas. Stattdessen schnupperte Knut nur vor meinem Gesicht herum. »Wein? Jetzt schon? Vielleicht sollten wir erst mal was essen, und dann erzählst du mir in Ruhe deine Sendergeschichten. So schlimm wird’s schon nicht sein, hm?« Damit ging er an mir vorbei Richtung Küche. Meine Sendergeschichten? Nicht so schlimm? Vor Empörung blieb mir fast die Luft weg. »Was gibt’s denn Leckeres?«, hörte ich Knut fragen. Ich antwortete nicht, sondern starrte auf den gerahmten Konfuzius-Sinnspruch, der mir gegenüber an der Wand hing. Ein Geschenk meiner Mutter zu unserer Verlobung. »Mit Menschen, die nicht auf demselben Weg wandeln wie du selbst, solltest du keine gemeinsamen Pläne schmieden.« Sie hatte sich einen anderen Schwiegersohn gewünscht. Gern einen Banker oder einen Studienrat. Den Spruch hatte ich aus purem Trotz aufbewahrt. Jetzt fragte ich mich, ob Konfuzius beziehungsweise meine Mutter nicht recht hatte.
    »Wie sieht’s denn hier aus?« Das war wieder Knut. Ach Gott, ja, das hatte ich vergessen. Mir war vor einer Stunde oder so die Teigschüssel aus der Hand gefallen, als ich Pfannkuchen mit Speck vorbereiten wollte. Ich hatte auch fest vorgehabt aufzuräumen. Gleich nach dem Glas Wein zur Beruhigung meiner Nerven. Und dann – siehe oben. Tja. Sollte doch Knut das in der Küche verteilte Mehl auffegen, die Eiermasse vom Fußboden wischen und die Scherben der Schüssel aufsammeln.
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