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Jesuslatschen - Größe 42

Jesuslatschen - Größe 42

Titel: Jesuslatschen - Größe 42
Autoren: Rüdiger Paul
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Merseburger Schloss
erschien mir als Kind, von diesem Hügel aus betrachtet, geheimnisvoll und unendlich
weit entfernt. Vielleicht erinnerte sich Vater dabei an seine Kindheit mit
seinem Vater, auf dem Feld in seinem Heimatort Bergensee, einem kleinen Dorf
mitten in den waldreichen Landschaften der Masurischen Seenplatte.
     
    „Doch
ist es jedem eingeboren,
    Daß
sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
    Wenn
über uns im blauen Raum verloren,
    Ihr
schmetternd Lied die Lerche singt.“
    Goethe
(Faust)
     
     
    Schon überdröhnt der nächste Silbervogel mit
seinen mächtigen Turbinen die Natur, es dauert eine Weile, bis die Lerche
wieder zu hören ist. Der Flug nach Bilbao wird aufgerufen. Jetzt heißt es
Gepäck schultern, die Ferne wartet schon. Die Metallösen an den Wanderschuhen
haben es dem aufmerksamen Sicherheitspersonal angetan. Sie lassen den
geschulten Blicken der Beamten am Sicherheits-Check keine Ruhe. Die Schuhe
müssen aus! Nach dem Röntgen der hoffende Blick auf die Ampel. Die Beamten
geben grünes Licht, das heißt passieren und rein in die Wanderpuschen.
    Im letzten Buchladen vor der Gangway kaufe ich
mir, sozusagen Last Minute, „Das Buch der Lebenskunst“ von Anselm Grün.
Allgemeiner Aufregung geschuldet, reihe ich mich, um in das Flugzeug zu
gelangen, in die falsche Warteschlange ein. „Der Flieger nach Bilbao dockt
unten an“, teilt mir eine freundliche Mitarbeiterin der Fluggesellschaft ebenso
freundlich aber entschlossen mit. Durch eine große Glastür gelange ich in ein
betonkaltes Treppenhaus. Ganz allmählich schließt sich die Tür hinter mir und
wird mit einem hörbaren Ruck mechanisch ins Schloss gezogen. Nun bin ich
lebendig eingemauert, denn diese Tür hat von innen keine Klinke, nur einen
festen stählernen Knauf.
    Es ist wie ein böser Traum. Denn durch die
Glasscheibe muss ich mit ansehen, wie die Passagiere abgefertigt werden. Eilig
haste ich die Treppe hinab und befinde mich nunmehr im kahlen Kellergeschoss
unter der Abfertigungshalle. Zwei uniformierte Sicherheitsbeamte machen mir
barsch verständlich, dass ich hier nichts zu suchen habe. Um zum Flieger zu
gelangen, begleiten mich die Beamten hinauf zu einer erneuten
Sicherheitskontrolle. Die Ösen an den Wanderschuhen..., das hatten wir ja schon
mal. So werden vor dem Start zweimal offiziell von Amtswegen meine Füße
gelüftet. Es wird echt knapp, nach einer langen Vorlaufzeit noch mal so eine
Aufregung. Am Ende dieses erlebnisreichen Anfangs startet die Maschine
pünktlich.
    In der Luft ist die Luft raus. Mich übermannt
einfach die Müdigkeit. Mit etwa neunhundert Stundenkilometern jage ich nun
kollektiv träumend durch die Lüfte. Himmlisch.
    Schon beim Landeanflug auf Bilbao ahne ich,
wohin die gerade begonnene Reise geht. Unendliche Weiten, Flüsse, Städte,
Dörfer, Wege und Seen. Alles aus der Lerchenperspektive, wie im Land- und
Zeitraffer. Ganz deutlich sieht man von hier oben Wege, welche sich wie ein
Netz von Adern über die Landschaft legen. Unbändige Vorfreude überwältigt die
einsetzende Müdigkeit. Genau um 16:42 Uhr landet der Flieger in Bilbao.
    Heute möchte ich, wenn möglich, ins
Guggenheim-Museum „ guggen “ und anschließend die
Herberge in Bilbao aufsuchen. Mehr nicht. Dann werde ich richtig ausschlafen
und den Pilgerweg von der Herberge aus munter angehen. Daher kann ich getrost
ein vorerst letztes Mal in den Bus steigen und Richtung Zentrum fahren.
    Der Bus ist voll besetzt, mit meinem Gepäck
finde ich gerade noch einen Stehplatz. Am Fenster direkt vor mir, sitzt eine
junge Frau mit einem ebenso prall gefüllten Wanderrucksack. Ich meine eine
Gleichgesinnte zu erspähen. Auf der Fahrt durch die City gelange ich zu der
Überzeugung, dass in dieser ungefähr dreihundertfünfzigtausend Einwohner
zählenden Großstadt, täglich hunderte berucksackte Menschen ihre Wege kreuzen, ohne unbedingt den Jakobsweg als Ziel zu haben. An
einem zentralen Platz steige ich aus und steuere direkt das Guggenheim-Museum
an.
    Die Erwartungen an dieses Haus sind groß.
Glaube ich doch fest daran, dort endlich einige Bilder von Salvador Dalí sehen
zu können. Wenn es mir schon aus Zeitmangel in Köln nicht vergönnt war, so doch
wenigstens in der Heimat des Meisters. Die modernste Galerie Spaniens bietet sicher
genügend Platz für einen derartigen Kunstgenuss. Der erste freie Blick auf
dieses Bauwerk übertrifft all meine Vorstellungen. Am Ufer des weit in die
Stadt hineinreichenden Hafenkanals bekomme ich ein
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