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Liebesvisitation (German Edition)

Liebesvisitation (German Edition)

Titel: Liebesvisitation (German Edition)
Autoren: Andreas Peter
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Albert hatte Bauchschmerzen. Er hatte unten ohne geschlafen, das tat er im Sommer häufig. Wenn man die Füße raushängen ließ, dann akklimatisierte das den ganzen Körper. Und wenn man anderes raus hängen ließ, dann war es immerhin bequem.
    Albert hatte sich mit den Anderen verabredet an den See zu fahren. Wer die Anderen waren, wusste er nicht. Er traf sie zwar ständig, aber er war sich nicht ganz im Klaren darüber, ob es Freunde, Kumpel, oder Bekannte waren und ob es einen Unterschied zwischen all dem gab.
    War ein Freund zu haben bei Männern nicht automatisch homosexuell?
    Männer hatten keine Freunde, sondern nur Kumpels.
    Männer gingen auch nicht gemeinsam aufs Klo.
    Männer gingen überhaupt nicht aufs Klo, sie gingen „pissen“, und dazu reichte ein Baum. Aber es musste ein unbeweglicher Gegenstand sein gegen den sie urinierten. Wie bei einem Hund.
    Jedenfalls hatten sie sich heute alle zum Baden am See verabredet.
    Albert ging nicht gern Schwimmen. Noch weniger gerne „badete“ er in irgendeinem Gewässer. Das hieß meistens planschen, oder flanieren in Badeklamotten.
    Obwohl er sich durchaus in Badehose zeigen konnte, tat er es nicht gern. Er wusste nicht, ob er sich ärgern sollte, dass er sich nicht zeigen wollte, obwohl er sich durchaus zeigen konnte. Um Leute zu beeindrucken, die er nicht beeindrucken wollte, weil sie ihm völlig wurscht waren. Um Anerkennung zu erfahren, die bitte ohne zwischenmenschliche Kontakte vonstatten gehen sollte.
    Warum gab es nicht noch jemanden, der so war wie er? Es war schon prekär: Wenn man so war wie alle Anderen, dann hatte man unendlich viele Gleichgesinnte. Wenn man aber nicht war wie die Anderen, hatte man niemanden. Für Albert gab es nur Albert und die Anderen. Die Anderen waren „ Wirs “, die glaubten „Ichs“ zu sein, während er ein „Ich“ war, dass wusste ein „Ich“ zu sein…Glaubte er.
    Eine Weile hatte er mit der Möglichkeit gespielt, eines dieser „ Wirs “ zu dressieren, um einen Gleichgesinnten zu haben. Aber das war dann ja doch nur ein „dressiertes“ Ich, dass nicht so war wie es war, weil es sein wollte wie es war, sondern weil jemand ihm beigebracht hatte so zu sein.
    Albert packte seine Schwimmtasche und fuhr zum See.

 
    Susanne war schon da. Sie watete durch knöcheltiefes Wasser und schrie bei jedem Schritt auf. Manchmal auch ohne dass sie einen Schritt getan hatte.
    Albert wunderte sich, dass sie jetzt schon damit anfing. Es war doch noch fast keiner hier, um ihre Show mitzuerleben.
    Außer Frank. Frank war der Liebling der Mädchen. Er hatte einen Waschbrettbauch, dessen Voluminösität durch die Fettschicht oberhalb der Muskeln verstärkt wurde. Das war ein guter Trick. Bauchmuskeln wirkten größer, wenn man auch noch Fett am Bauch hatte.
    Albert watschelte zum Ufer und breitete unauffällig sein Badetuch aus. Frank nickte ihm zu. Es war ein Nicken, das nicht mit einer Neigungsbewegung des Kopfes in Richtung Boden begann, sondern umgekehrt in Richtung Himmel. Es bedeutete soviel wie „Ach, Servus!“ und war auf dem Land äußerst verbreitet.
    Susanne blickte ihn nur kurz an. Sie mochte ihn nicht, und Albert mochte, dass Susanne ihn nicht mochte, denn er konnte sie nicht leiden.
    Glücklicherweise hatte Albert seinen Discman dabei, denn er hätte beim besten Willen nicht gewusst wohin mit seinen Händen und was er jetzt überhaupt machen sollte. Er hatte einen Ohrmuschelkopfhörer in der Tasche. Er mochte keine Ohrenstöpsel, die taten ihm nach kürzester Zeit in den Ohren weh. Außerdem mochte er keine mp3-Player, weil er die Lieder dann niemals wieder fand.
    Er saß eine Weile so da und wippte mit dem Kopf zur Dance-Musik, als ihm jemand auf den Rücken klopfte. Es war kein harter Stumper , wie Frank ihn gemacht hätte, um zu zeigen: Hey, sie her: Ich bin ein echter Kerl. Ich bin so männlich, ich berühre dich nicht unnötig lange, weil ich nicht schwul bin, und andererseits denke ich nicht darüber nach, dich nicht anzutippen, weil ich nicht darüber nachdenke, dass du mich eventuell für schwul halten könntest. Will heißen: Ein so komplexes Satzgebilde, wie das von eben, würde niemals durch Franks Kopf gehen. Er würde nicht mal darüber nachdenken, darüber nachzudenken.
    Nein, es war ein Exekutiveanklopfen . Nicht so hart wie bei einem Kerl, und nicht so zart, wie von einer Geliebten, die auf rosa Plüschtiere stand. Es war Judith. Albert mochte Judith, und hätte er nicht soviel Respekt vor ihr
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