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Jesuslatschen - Größe 42

Jesuslatschen - Größe 42

Titel: Jesuslatschen - Größe 42
Autoren: Rüdiger Paul
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einem
Computertisch Ausschau halten. Zu diesem fahrenden Minibüro eilen sie, um dann mit einer Bewegung die Jacke abzuwerfen und zeitgleich den
Laptop anzustöpseln . So, nun noch fix den PC
hochfahren und der Blutdruck sinkt wieder auf Normalnull.
    Das muntere Treiben zu dieser Unzeit hat
sicher seine eigene Wertigkeit. Dennoch sehe ich es „hinter Glas“, denn die
Hauptgedanken sind voll und ganz bei meinem Vorhaben.
    Das Schwert, den Brief und die vielen guten
Wünsche meiner Familie, Freunden und Bekannten geben mir Sicherheit und lassen
mich träumen. Ich versuche zu schlafen, gesehen habe ich heute genug.
     
    Gute Nacht, Gilbert und Renate.

Mittwoch, 19.04.2006
    Köln   -   Bilbao
     
    Vom Kölner Hauptbahnhof fahre ich mit der
S-Bahn zum Flughafen. Diese Fahrt ist nicht so ganz ohne. Denn eine total
überdrehte Türkin rennt rastlos, schreiend und wild gestikulierend durch
sämtliche Abteile. Ihr folgt ein ebenso durchgeknallter Galan. Ein Bild von an
den äußersten Rand getriebener Liebe. Das Ganze hat den blassen Glanz einer
Seifenoper, ist für die zwei Akteure aber sicher das Leben, ihr Leben.
    Dank einer vom DB-Infopoint verplanten
Zugverbindung, beträgt mein Frei-Zeit-Puffer unendlich lange zehn Stunden!
    Da der Flugverkehr um diese mitternächtliche
Zeit bereits eingestellt ist, gibt es nur einige wenige Nachtschwärmer, welche
sich in dieser schmucklosen Glas-Stahl-Neon-Terrazzo Flughafenhalle langweilen.
Es wäre vermessen, jetzt schon die „Goldene Nuss“ in Anspruch zu nehmen, da die
Reise gerade erst begonnen hat. Erst in fünf Stunden öffnet die
Gepäckaufbewahrung. Somit werde ich etwas übernächtigt auf einer einsamen Bank
im Terminal „leise weinend“ zum Denkmal. Denk mal darüber nach.
    Dann endlich, eine autorisierte blaubemützte
Person öffnet den Gepäckschalter und stellt meinen schweren Rucksack in ein
Regal der Gepäck-Kita.
    Mit der S-Bahn gelange ich zum Hauptbahnhof.
Jedes Mal ist es ein Ereignis aus der Kölner Bahnhofshalle auf der Westseite
herauszutreten und den mächtigen Dom aus der Maulwurfperspektive zu sehen. Mein
Blickfeld reicht nicht aus um dieses Bild zu erfassen. Erst allmählich beim
Hinaufgehen der Domstufen begreift man, was das für ein besonderer Ort ist.
    Es ist Mittwoch der 19. April 2006, 06:55 Uhr,
und ich stehe genau an der eben beschriebenen Stelle. Da Köln eine wichtige
Station ist, möchte ich den Pass hier in diesem Dom abstempeln lassen. Leider
ist das große Hauptportal um diese frühe Stunde noch fest verschlossen. An
einem Nebeneingang ist auf einem kleinen Schild zu lesen, dass man durch diese
Tür zur 07:15 Uhr stattfindenden „Heiligen Messe“ in den Dom gelangt. Ich
betrete alsdann dieses mächtige Bauwerk durch die Nebenpforte. Der Moment ist
schlichtweg ergreifend. Denn jedes Mal, wenn ich in der Vergangenheit diesen
Dom erlebte, herrschte hier ein absolutes Menschen- und Touristengewimmel.
Immer laut und hektisch. Dennoch war und ist das Eintreten in den Dom für mich
niemals eine rein touristische Eroberung. Eher ein zaghafter Schritt über eine
Schwelle der Geschichte. Besonders heute an diesem Tag.
     
     
    „Tritt
ein in den Dom.“
    Electra
     
     
    Die tief stehende Morgensonne flutet von Osten
her durch die überdimensionalen Kirchenfenster und bringt sie zum Erstrahlen.
Einsam sitze ich in einer der Sitzreihen nahe dem Hauptaltar und betrachte die
leuchtende Geschichte in den Fenstern. In diesen Momenten geschieht etwas
Merkwürdiges mit mir. Ich spüre Glück in seiner Ganzheit. Dieses Erleben hat
nicht direkt mit dieser Kirche zu tun. Nein, es ist eine Bewusstheit, welche
mir nahe kommt. Der weite Raum wirkt auf mich. Vor mir das bunt gebrochene
Sonnenlicht, vielleicht als Kontrast zu diesen öden nächtlichen Szenen im Zug
und auf dem Flugplatz. Über mir das Chorgewölbe wie eine schützende Hand.
Endlich bin ich angekommen, die Pilgerreise kann beginnen. Es kommt pure Freude
auf. Einfach hier sein zu können und die Gewissheit zu haben, dass ich es
schaffe. Mit diesem Gefühl gehe ich quer durch den Dom und stelle mich mit dem
Rücken an eine mächtige Säule im Bereich des Hauptportals. Beide Handflächen
berühren den kühlen Stein. Ich bete. Aus mir heraus fährt ein spontanes Gebet.
Es berührt meine ganze Familie in Gedanken voller Liebe, Mutter ist mir nahe.
Gabi erreicht meinen Sinn. Susann erwartet ihr Baby, Alexander geht seinen Weg
mit seiner Art Bewusstheit, Vater freut sich über die Kleinigkeiten
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