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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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Prolog
     
    Eine dichte Nebeldecke lag über dem nachtschwarzen Atlantik. Der Wind war fast eingeschlafen. Es war nahezu vollkommen still, nur ganz selten knarrte irgendwo in der Finsternis ein Tau. Plötzlich erklang ein dünner, blecherner Glockenton, verhallte und eine heisere Männerstimme hob an und sang einige rauhe Worte in einer seltsamen Sprache. Es mochte ein Kirchenlied sein.
    Die Stimme verebbte wieder.
    Die Nebel teilten sich und der Bug eines großen Fischerbootes schob sich aus den Schleiern hervor. Es war keine dieser Nußschalen, die sich in Küstennähe hielten, es war gebaut, um monatelang auf hoher See auszuhalten und in fernen Gewässern große Mengen Stockfisch zu fangen. Im Bug kauerten zwei dunkle Gestalten im Schein einer verrußten Lampe und hielten angestrengt Ausschau.
    »Das ist nicht natürlich«, sagte der ältere der beiden Fischer und spuckte mißmutig in die schwarze See. Der Jüngere nickte. Er war bei Weitem nicht so erfahren wie der alte Antoine, aber in seinen vier Jahren auf See hatte er den Atlantik noch nie so unbewegt erlebt.
    Vom Heck schlug erneut die blecherne Glocke und wieder sang eine brüchige Männerstimme ein paar Zeilen.
    »Verrückter Baske«, murmelte Antoine, »wenn man wenigstens wüßte, was er da singt ...«
    Jacques, der jüngere der beiden Männer im Bug, starrte in die See, die so trügerisch still unter ihrem Boot lag. Die Isabelle machte nicht mehr als ein oder zwei Knoten.
    »Warum singt der Baske?«, fragt er den Alten. Er kannte die Antwort, aber er wollte das Gespräch in Gang halten. Die schweigsame See machte ihm Angst.
    »Weil er übergeschnappt ist«, brummte der andere. »Er meint, die Engel hören und beschützen ihn und lieben seinen Gesang, aber wenn sie das für Gesang halten, dann müssen sie taub sein.«
    Rodrigo, den alle nur »den Basken« nannten, war der Steuermann des Bootes. Er war wirklich ein wenig verrückt, aber er kannte sich aus auf dem Meer und als Steuermann machte ihm niemand etwas vor. Wieder schlug er die Glocke und sang ein paar Worte in einer Sprache, die außer ihm keine Menschenseele verstand. Jacques schwieg und starrte hinaus über das schwarze Wasser.
    »Er hat viel gesehen, der Baske, zu viel, könnte man meinen«, fuhr Antoine fort. »Es muß vor zehn Jahren gewesen sein, hier, in denselben Gewässern, da ist sein Schiff untergegangen und mit ihm alle, die an Bord waren - alle außer dem Basken selbst. Muß ein fürchterlicher Sturm gewesen sein - obwohl ... Manche sagen, es war etwas anderes ...« Antoine spuckte erneut in die See.
    »Niemand weiß, welche Wesen in diesen endlosen Tiefen hausen. Ich selbst habe schon Kraken gesehen, groß wie Häuser, mit Fangarmen, länger als unser Mast. Und riesige Wale mit Hörnern auf dem Schädel, die jedes Schiff in den Grund bohren könnten.«
    »Und du meinst, so ein Ungeheuer hat das Schiff versenkt?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Antoine gedehnt, »aber der Kapitän unseres Basken war einer der besten. Der wäre mit jedem Sturm fertig geworden - zumindest mit jedem Sturm, wie die Natur ihn macht. Aber hier, in diesen Gewässern, ist nicht nur die Natur am Werk. Die klugen Leute vom Festland mögen sagen, was sie wollen, aber hier gibt es Dinge, die über den Verstand von uns armen Menschen hinausgehen.«
    Wieder klang die blecherne Glocke durch den Nebel und wieder sang Rodrigo ein paar fremde Worte.
    »Und der Baske?«, fragte Jacques.
    »Hat mit seinen Kameraden gegen den Sturm gekämpft. Allesamt verstanden sie ihr Handwerk, aber diesen Kampf konnten sie nicht gewinnen. Irgend etwas Böses war da am Werk.«
    Jacques schauderte. Er hatte das alles schon einige Male von Antoine gehört. Der Alte kannte viele Geschichten, weshalb Jacques sich immer gern die Wache mit ihm teilte. Doch in dieser Nacht beunruhigte ihn die Geschichte des Basken mehr als sonst. Vielleicht lag es an dem dichten Nebel und der so tückisch ruhigen See - Jacques fühlte eine Beklemmung, die nichts mit dem üblichen wohligen Schauer zu tun hatte, den er sonst bei den Erzählungen des Alten empfand.
    »Etwas Großes traf ihr Schiff«, fuhr Antoine fort. »Die einen sagen, es war ein großer Brecher, die anderen, es muß der Teufel selbst gewesen sein oder eines seiner Ungeheuer. Vielleicht haben sie es mit ihren Netzen aus einem jahrtausendelangen Schlaf geweckt? Vielleicht sollten die Menschen hier nicht fischen? Wer weiß das schon? Nun, ihr Schiff wurde von der Gewalt zerschlagen, so wie
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