Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
Kapitel Eins
     
    Sucht ihr die zerfallenen Knochen
    der T’lan Imass,
    so nehmt in eine Hand
    all den Sand der Raraku
     
    Die Heilige Wüste
    Anonym
     
    K ulp fühlte sich wie eine Ratte in einem großen Zimmer, in dem es von Ogern nur so wimmelte, von Schatten umgeben und andauernd in Gefahr, unter einem Fuß zertreten zu werden. Niemals zuvor hatte sich das Meanas-Gewirr so … beladen angefühlt, wenn er es betreten hatte.
    Es waren Fremde hier, Eindringlinge … Mächte, die dieser Sphäre so feindselig gesinnt waren, dass eine alles umfassende, zornige Atmosphäre herrschte. Die Essenz seines Selbst, die durch das Gewebe geschlüpft war, war nur noch eine kauernde, geduckte Kreatur. Dabei war alles, was er fühlen konnte, die Gewissheit, dass hier mehrmals etwas Wildes, Mörderisches durchgezogen war; er spürte das wirbelnde Kielwasser, das die Pfade markierte, die das Unwillkommene genommen hatte. Seine Sinne schrien ihm zu, dass er – zumindest für den Augenblick – allein war, dass die dunstige, sich in alle Richtungen flach ausdehnende Landschaft bar allen Lebens war.
    Trotzdem zitterte er vor Entsetzen.
    Mit einer geisterhaften Hand griff er in seinem Geist zurück nach seinem Körper und fand die fühlbare Bestätigung des Ortes, an dem er existierte, spürte das Blut, das durch seine Adern strömte, das Gewicht von Fleisch und Knochen. Er saß mit übereinander geschlagenen Beinen in der Kapitäns-Kajüte der Silanda, und ein erschöpfter, unruhiger Heboric wachte über ihn, während die anderen an Deck warteten und dabei unaufhörlich den an allen Seiten von nichts unterbrochenen, unbarmherzig flachen Horizont beobachteten.
    Sie mussten einen Weg nach draußen finden. Das gesamte ältere Gewirr, in dem sie sich wieder gefunden hatten, war überflutet, war ein einziges dickflüssiges, seichtes Meer. Die Ruderer würden die Silanda noch tausend Jahre vorantreiben, bis das Holz in ihren toten Händen verfaulte und die Schäfte brachen, bis das Schiff um sie herum auseinander fallen würde – so lange würde die Trommel dröhnen und die Rücken sich beugen. Zu diesem Zeitpunkt werden wir schon lange tot sein. Wir werden nur noch vermoderter Staub sein. Er musste eine Möglichkeit finden, das Gewirr zu wechseln, nur so konnten sie entkommen.
    Kulp verfluchte seine begrenzten Möglichkeiten. Wäre er ein Praktiker von Serc oder Denul gewesen, oder von D’riss oder praktisch jedem anderen Gewirr, das den Menschen zugänglich war, dann hätte er gefunden, was sie brauchten. Aber nicht in Meanas. Hier gibt es keine Meere, keine Flüsse, noch nicht einmal eine klitzekleine Pfütze, beim Vermummten. Aus dem Innern seines Gewirrs versuchte Kulp eine Passage in die Welt der Sterblichen zu finden oder zu schaffen … und das erwies sich als problematisch.
    Sie waren durch besondere Gesetze gebunden, durch natürliche Regeln, die mit dem Prinzip von Ursache und Wirkung zu spielen schienen. Wären sie mit einem Wagen unterwegs gewesen, hätte die Passage durch die Gewirre sie unfehlbar zu einem trockenen Weg geführt, denn die Ur-Elemente behaupteten eine störrische Übereinstimmung quer durch alle Gewirre. Erde zu Erde, Luft zu Luft, Wasser zu Wasser.
    Kulp hatte Gerüchte gehört, wonach es manchen Hohemagiern gelungen sein sollte, diesen unbegrenzten Gesetzen ein Schnippchen zu schlagen, und vielleicht verfügten auch die Götter und andere Aufgestiegene über solche Mittel. Aber sie standen so hoch über einem einfachen Kader-Magier wie die Schmiedewerkzeuge eines Ogers über einer sich duckenden Ratte.
    Seine andere Sorge galt der Größe der Aufgabe an sich. Eine Gruppe von Gefährten durch sein Gewirr zu ziehen, war zwar schwierig, aber durchaus machbar. Doch ein ganzes Schiff! Er hatte gehofft, eine Eingebung zu bekommen, sobald er sich erst einmal im Meanas-Gewirr befand, einen Geistesblitz, der ihm eine einfache, elegante Lösung zeigen würde. Mit der ganzen Anmut der Poesie. Hat nicht Fisher Kel’Tath selbst einst gesagt, dass Poesie und Zauberei die beiden Schneiden der Klinge im Herzen eines jeden Mannes sind? Aber wo sind dann meine magischen Phrasen?
    Kulp musste verbittert zugeben, dass er sich innerhalb des Meanas-Gewirrs genauso dumm vorkam wie in der Kajüte des Kapitäns. Die Kunst der Illusion besitzt eine eigene Anmut. Es muss einfach eine Möglichkeit geben, uns hier … herauszumogeln. Der Widerspruch zwischen dem, was ist, und dem, was nicht ist, ist die Synergie im Geist eines
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher