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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste
Autoren: Steven Erikson
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Sterblichen. Und größere Kräfte? Kann die Wirklichkeit selbst genarrt und dazu gebracht werden, auf einer Unwirklichkeit zu bestehen?
    Seine schreienden Sinne änderten die Tonhöhe. Kulp war nicht mehr allein. Die dicke, geschwollene Luft des Meanas-Gewirrs – wo Schatten die Konsistenz von Mattglas hatten und es ein Gefühl ekstatischen Erschauerns erzeugte, durch sie hindurchzuschlüpfen – hatte begonnen, sich erst auszuheulen und dann zu beugen, als würde etwas Großes erscheinen und die Luft vor sich herschieben. Und was auch immer es sein mochte, es kam sehr schnell näher.
    Plötzlich stieg ein Gedanke in dem Magier auf. Und zwar einer voller … Eleganz. Bei Toggs Zehen, kann ich das tun? Druck aufbauen, dann ein müßiges Kielwasser, eine bestimmte Strömung, ein bestimmtes Fließen. Beim Vermummten, es ist zwar kein Wasser, aber es ist ziemlich nahe dran. Das hoffe ich zumindest.
    Er sah Heboric erschrocken aufspringen und sich den Kopf an einem niedrigen Kreuzbalken der Kajüte stoßen. Kulp schlüpfte zurück in seinen Körper und stieß einen rasselnden, keuchenden Atemzug aus. »Es geht gleich los, Heboric. Sorg dafür, dass alle bereit sind!«
    Der alte Mann rieb sich mit einem seiner Armstümpfe den Hinterkopf. »Bereit? Bereit wofür, Magier?«
    »Für alles Mögliche.«
    Kulp schlüpfte wieder hinaus, kletterte mental erneut an seiner Ankerkette im Meanas-Gewirr zurück.
    Der Unwillkommene kam näher, und er strahlte so viel Macht aus, dass die fiebrige Atmosphäre zu zittern begann. Der Magier sah, wie nahe gelegene Schatten vibrierten und sich auflösten. Er spürte, wie sich in der Luft eine Ungeheuerlichkeit aufbaute, genau wie in der lehmigen Erde unter seinen Füßen. Was auch immer durch sein Gewirr zog, hatte Aufmerksamkeit erregt. Die Aufmerksamkeit von … von wem auch immer – Schattenthron, den Hunden … aber vielleicht sind Gewirre ja auch tatsächlich lebendig. Wie auch immer, jetzt kam es, mit arroganter Gleichgültigkeit.
    Kulp musste plötzlich an Sormo denken, an das Ritual in der Nähe von Hissar, bei dem der Waerloga sie in das T’lan-Imass-Gewirr gezogen hatte. Oh, beim „Vermummten, ein Wechselgänger oder ein Vielwandler … aber welch eine Macht! Wer im Abgrund verfügt über so viel Macht? Es fielen ihm nur zwei Wesen ein: Anomander Rake, der Sohn der Dunkelheit, und Osric. Beide waren Wechselgänger, und beide waren überaus arrogant. Falls es noch andere geben sollte, hätte er von ihren Aktivitäten gehört, dessen war er sich sicher. Krieger reden über Helden. Magier reden über Aufgestiegene. Er hätte ganz bestimmt davon gehört.
    Rake war in – oder besser über – Genabackis, und von Osric erzählte man sich, dass er vor ungefähr einem Jahrhundert zu einem Kontinent weit im Süden gereist wäre. Nun, vielleicht ist dieser kaltäugige Bastard ja zurückgekehrt. Egal wie, er würde es herausfinden.
    Die Präsenz war da. Seinen geistigen Bauch flach auf den weichen Boden gepresst, legte Kulp den Kopf in den Nacken und starrte nach oben.
    Der Drache flog tief über der Erde. Er sah anders aus als jede Darstellung eines Drachen, die Kulp bisher gesehen hatte – das ist weder Rake noch Osric – , mit kräftigen Knochen und Haut, die wie trockene Haifischhaut aussah; seine Spannweite war gewaltiger als die des Sohnes der Dunkelheit – in dessen Adern das Blut einer Drachengöttin fließt –, und die Schwingen hatten nichts von jener sanften, gewölbten Anmut. Die Knochen waren auf verrückte Weise vielgelenkig, wie ein zerschmetterter Fledermausflügel; unter der gespannten, rissigen Haut war jedes knorrige Gelenk gut zu erkennen. Der Kopf des Drachen war ebenso breit wie lang, wie der Kopf einer Viper, mit hoch angesetzten Augen. Es gab keine deutlich abgesetzte Stirn; stattdessen wich der Schädel nach hinten zurück und lief in einer Auszackung im Nacken aus, die fast in Hals- und Kiefermuskeln begraben war.
    Ein Drache von rohem Schlag, ein Geschöpf, das die Aura von etwas Uraltem verströmte. Und außerdem war sie untot, wie Kulp nach Luft schnappend feststellte, als seine Sinne die Kreatur ganz und gar erfassten.
    Der Magier spürte, dass das Wesen ihn bemerkte, während es mit einem flüsternden Geräusch zwanzig Armspannen über ihn hinwegsegelte. Ein Gefühl, das anfangs sehr stark war und dann schnell schwächer wurde.
    Als im Gefolge des Drachen ein schneidender Wind heranwehte, rollte Kulp sich auf den Rücken und stieß zischend die paar
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