Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
suchen?«
    »Sie hat mich dort hingeschickt«, meldete sich Felisin zu Wort. »Ihr habt Recht – das Ganze hat wenig mit Loyalität zu tun. Ich war nur eine mehr, die in Unta den Säuberungen zum Opfer gefallen ist.«
    Der Magier war eindeutig erschüttert. Er fuhr herum und starrte Baudin an. »Du bist eine Klaue, stimmt’s?« Die Luft um Kulp herum schien zu glitzern – Felisin begriff, dass der Magier sein Gewirr geöffnet hatte. Er bleckte die Zähne. »Die Fleisch gewordenen Gewissensbisse der Mandata.«
    »Er ist keine Klaue«, mischte Heboric sich ein.
    »Was dann?«
    »Nun, um das zu erklären, ist ein bisschen Geschichtsunterricht vonnöten …«
    »Dann fangt mal an.«
    »Es gab da eine alte Rivalität zwischen Tanzer und Hadra«, begann der frühere Priester. »Tanzer hatte eine Geheimorganisation geschaffen, die militärische Unternehmungen wie etwa Feldzüge unterstützen sollte. Und getreu dem imperialen Symbol – die Hand eines Dämonen, die eine Kugel umfasst – hatte er die Mitglieder dieser Organisation seine Krallen genannt. Hadra hat dieses Modell übernommen, als sie die Klaue geschaffen hat. Die Krallen haben sich um äußere Angelegenheiten – außerhalb des Imperiums – gekümmert, wohingegen die Klaue eine Organisation war, die im Inneren gewirkt hat; eine Art Geheimpolizei, ein Netzwerk aus Spionen und Assassinen.«
    »Aber die Klaue wird doch auch bei geheimen militärischen Unternehmungen eingesetzt«, sagte Kulp.
    »Heutzutage, ja. Als Hadra in Abwesenheit von Kellanved und Tanzer Regentin wurde, hat sie ihre Klauen auf die Krallen angesetzt. Der Verrat hat überaus subtil begonnen – mit einer Reihe fürchterlich verpfuschter Missionen –, aber dann ist irgendjemand zu sorglos geworden, und die ganze Sache ist rausgekommen. Die beiden Organisationen sind aufeinander losgegangen und haben es ausgefochten, bis zum bitteren Ende.«
    »Und die Klaue hat gewonnen.«
    Heboric nickte. »Aus Hadra wird Laseen, Laseen wird Imperatrix. Die Klauen hocken auf einem Haufen Schädel wie ein Schwarm gut genährter Krähen. Die Krallen sind den gleichen Weg gegangen wie Tanzer. Sie sind tot und dahin … oder, wie immer mal wieder vermutet wird, sie sind so tief untergetaucht, dass es so aussieht, als wären sie ausgelöscht.« Der ehemalige Priester grinste. »Was vielleicht auch für Tanzer höchstpersönlich gilt.«
    Felisin musterte Baudin. Eine Kralle. Was hat meine Schwester mit einer geheimen Sekte von Wiedererweckern zu schaffen, die sich immer noch an die Erinnerung an den Imperator und Tanzer klammern? Warum hat sie keine Klaue benutzt? Das kann nur bedeuten, dass sie nicht wollte, dass irgendjemand etwas davon erfahrt.
    »Es war von Anfang an eine üble Angelegenheit«, sagte Heboric. »Sie musste ihre jüngere Schwester in Ketten legen lassen, als wäre sie ein ganz gewöhnliches Opfer. Sie musste ein Exempel statuieren, um der Imperatrix ihre Loyalität zu beweisen – «
    »Nicht nur ihre Loyalität«, unterbrach ihn Felisin. »Die Loyalität des Hauses Paran. Unser Bruder ist ein Renegat, er ist in Genabackis, bei Einarm. Das hat uns … verwundbar gemacht.«
    »Es ist alles schief gegangen«, sagte Heboric und starrte dabei Baudin an. »Sie hätte eigentlich gar nicht lange in Schädelmulde bleiben sollen, stimmt’s?«
    Baudin schüttelte den Kopf. »Ich kann niemand rausholen, der nicht rausgeholt werden will.« Er zuckte die Schultern, als ob das reichen würde und er nicht vorhätte, sich weiter über das Thema auszulassen.
    »Dann gibt es also noch immer Krallen«, sagte Heboric. »Wer ist euer Anführer?«
    »Niemand«, antwortete Baudin. »Ich wurde da hineingeboren. Es sind noch ein paar übrig, die sich hier und da rumtreiben; sie sind entweder alt oder verblödet, oder beides. Ein paar erstgeborene Söhne haben … das Geheimnis geerbt. Tanzer ist nicht tot. Er ist aufgestiegen, zusammen mit Kellanved – mein Vater hat es gesehen; er war in der Nacht des Schattenmondes in Malaz.«
    Kulp schnaubte, doch Heboric nickte langsam.
    »Ich bin mit meinen Vermutungen der Wahrheit sehr nahe gekommen«, meinte der ehemalige Priester langsam. »Anscheinend zu nahe für Laseens Geschmack, wenn man sich so anschaut, was passiert ist. Sie vermutet es oder weiß es sogar, stimmt’s?«
    Baudin zuckte die Schultern. »Ich werde sie fragen, wenn ich das nächste Mal mit ihr plaudere.«
    »Ich habe keinen Bedarf mehr an einem Leibwächter«, sagte Felisin. »Geh mir aus den Augen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher