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In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)

In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)

Titel: In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Autoren: Monika Küble , Henry Gerlach
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Venedig, September 1414
    Nebel liegt über der Stadt und der Lagune, wälzt sich wie kalter Rauch die Kanäle entlang, dringt mit Geisterfingern in die schmalen, hohen Gassen ein, verhüllt mit feinem Gespinst die Kuppeln und den Campanile von San Marco.

    Langsam pendelt im Morgennebel ein Leichnam hin und her, dreht sich dann und wann gemächlich um sich selbst. An einem Fuß aufgehängt, wie ein geschlachtetes Schwein, baumelt er von einem Gerüst zwischen den beiden Prunksäulen auf der Piazzetta, der kleinen Schwester der Piazza San Marco. Am Hals des Toten dunkle Male, offenbar wurde er erwürgt. Vorher aber hat man ihn gefoltert, sein geschundener Körper ist übersät mit Wunden, die ihm zugefügt wurden beim Versuch, ihn zum Reden zu bringen.

    Nach und nach belebt sich der Platz, Menschen kommen vorbei, ein paar Fischer zunächst, dann eilige Händler auf dem Weg zu den Kontoren, Frauen, die schon früh zum Markt wollen. Beim Anblick des Toten verlangsamen sie ihren Schritt, verharren einen Moment und bekreuzigen sich, doch dann senken sie die Augen und gehen rasch weiter. Niemand weiß, wer da am Gerüst hängt, und niemand wird es je erfahren. Der Rat der Zehn hat wieder zu Gericht gesessen.

    Andrea Dandolo eilt die Stufen des Dogenpalastes hinauf. Den Toten hat er durch den Nebel schemenhaft von Weitem hängen sehen und einen Augenblick gelächelt. Wieder ein Verräter bestraft. Das wird die anderen hoffentlich abschrecken. Im ersten Stock hastet er an den ›Löwenmäulern‹ vorbei, den Briefschlitzen mit der Aufschrift Denontie secrete , anonyme Anzeigen, dann läuft er weiter bis ins dritte Obergeschoss. Dort reißt er eine Tür neben dem Senatssaal auf und tritt ein. Zwei Männer erwarten ihn bereits. Sie sind ebenso prächtig gekleidet wie er, mit seidenem Wams, eleganten roten und schwarzen Beinlingen und kostbaren Samtmänteln, deren Ärmel mit Arabesken aus Goldfäden bestickt sind. Venedig ist das Zentrum der Welt, der Handelswelt zumindest, und hier gibt es alles zu kaufen, was ein wertvolles Gewand ausmacht. Einer der beiden Männer trägt über dem kurzen schwarzen Haar ein grünes Barett, das zur Farbe seines Mantels passt. Die Haare des zweiten sind länger und rötlich-weiß. Das Alter und die Strenge haben tiefe Furchen um seinen Mund gegraben.

    »Ihr seid spät, Dandolo!«, eröffnet der Rote missmutig das Gespräch.
    Dandolo lächelt maliziös.
    »Im Gegensatz zu Euch, Venier, habe ich hin und wieder Pflichten zu erfüllen, die mich etwas länger ans Bett fesseln. Aber nun bin ich ja hier.«
    Der Schwarzhaarige wird ungeduldig.
    »Ihr wisst, worum es geht. Der Senat muss unserem Vorschlag zustimmen, sonst stehe Gott uns bei!«
    »Lasst Gott aus dem Spiel!«, winkt der Alte ab. »Das hier ist unsere Sache.«
    »Habt Ihr mit ihm gesprochen, Prioli?«, will Dandolo wissen.
    Der Schwarze nickt.
    »Wie viel will er haben?«
    »35.000. Die Hälfte als Anzahlung, den Rest danach.«
    Dandolo pfeift durch die Zähne. Mit 35.000 Gulden kann man drei prächtige Paläste am Canal Grande bauen. Oder eine ausgedehnte Grafschaft auf der Terraferma erwerben. Oder zehn Galeeren ausrüsten. Nicht viele Kaufleute in Venedig besitzen so viel Geld. Sie werden dem Senat gute Argumente liefern müssen. Aber dafür sind sie da, die drei Capi , die Köpfe des Rats der Zehn.
    »Und er braucht Zeit«, fährt Prioli fort.
    »Was heißt das, er braucht Zeit? Er soll seinen Auftrag so schnell wie möglich ausführen! So war es vereinbart!«, faucht der Alte den Schwarzen an.
    »Venier, beruhigt Euch, er braucht Zeit, um alles so gründlich vorzubereiten, dass ihm selbst nichts geschieht. Aber er wird den Auftrag erledigen.«
    »Wegen mir kann er danach zum Teufel gehen!«
    »Ihr wisst, er hat gute Referenzen. Es gibt keinen Besseren.«
    »Es gibt keinen anderen!«, pflichtet Dandolo dem Schwarzen bei.
    Venier murrt noch eine Weile, dann sind sie sich einig.

    Als Dandolo am späten Nachmittag den Dogenpalast nach der Senatssitzung verlässt, ist er zufrieden. Es ist ihnen gelungen, die Regierenden Venedigs zu überzeugen, dass 35.000 Gulden nicht zu viel sind für die Sicherheit der Serenissima. Fast einstimmig haben die Senatoren die Ausgabe gebilligt. Dandolos Blick fällt erneut auf die Leiche des bestraften Verräters, was seine Genugtuung noch erhöht. Da hängt der tote Beweis für die Effizienz der venezianischen Geheimpolizei und ihrer Führer, des Rates der Zehn. Sie sind es, die die Republik vor allen
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