Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Titel: Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
1
     
    Der Sheriff
war alles andere als erfreut über meine Anwesenheit. Aber wer hatte mich dann
ausfindig gemacht und nach Sarne beordert? Wahrscheinlich einer der Zivilisten,
die jetzt verlegen in seinem Büro herumstanden. Sie waren ausnahmslos gut
gekleidet und genährt, eindeutig Leute, die es gewohnt sind, etwas
darzustellen. Ich sah von einem zum anderen. Der Sheriff, Harvey Branscom,
hatte ein rotes, runzeliges Gesicht, das von einem weißen Schnurrbart
unterbrochen wurde, und kurz geschnittenes weißes Haar. Er war bestimmt Mitte
fünfzig, vielleicht auch älter. Branscom trug eine enge khakifarbene Uniform
und saß auf dem Drehstuhl hinter seinem Schreibtisch. Er sah angewidert drein.
Der Mann zu seiner Rechten war mindestens zehn Jahre jünger, dunkelhaariger und
wesentlich dünner, sein schmales Gesicht war frisch rasiert. Er hieß Paul
Edwards und war Anwalt.
    Die Frau,
mit der er gerade stritt, etwas jünger als er und mit aufwendig blondierten
Haaren, war Sybil Teague. Sie war Witwe, und die Nachforschungen meines Bruders
hatten ergeben, dass sie einen Großteil der Stadt Sarne geerbt hatte. Neben ihr
stand ein weiterer Mann, Terence Vale. Er hatte ein rundes Gesicht, dünnes
fahles Haar, eine Nickelbrille und trug eines von diesen Namensschildchen zum
Aufkleben. Er käme gerade von einer Ratsversammlung, hatte er beim Hereineilen
verkündet. Auf seinem Namensschild stand: »Hi! Ich bin TERRY, der
BÜRGERMEISTER.«
    Da
Bürgermeister Vale und Sheriff Branscom derart verstimmt über meine Anwesenheit
waren, nahm ich an, dass mich Paul Edwards oder Sybil Teague herbeordert hatte.
Ich sah von einem zum anderen. Teague, dachte ich. Ich lehnte mich lässig in
dem unbequemen Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und wippte mit dem
freien Fuß auf und ab. Dabei kam mein schwarzer Lederslipper dem Schreibtisch
des Sheriffs gefährlich nahe. Die vier warfen sich Anschuldigungen an den Kopf,
als sei ich gar nicht im Raum. Wahrscheinlich konnte sie Tolliver sogar noch im
Wartezimmer hören.
    »Wollen Sie
das nicht lieber besprechen, während mein Bruder und ich zurück ins Hotel gehen
und uns ausruhen?«, fragte ich mitten in ihre lautstarke Auseinandersetzung
hinein.
    Sie
verstummten und sahen mich an.
    »Ich
fürchte, wir haben Sie unter falschen Voraussetzungen herkommen lassen«, sagte
Branscom bemüht höflich, aber an seinem Gesicht konnte ich erkennen, dass er
mich zur Hölle wünschte. Seine Hände lagen zu Fäusten geballt auf dem
Schreibtisch.
    »Und die
wären ...?« Ich rieb mir die Augen. Ich kam direkt von einem anderen Einsatzort
und war ziemlich müde.
    »Terry hat
uns nicht ganz richtig über Ihre Referenzen informiert.«
    »Gut, dann
machen Sie das doch bitte unter sich aus, während ich ein wenig Schlaf nachhole«,
sagte ich erschöpft und gab kampflos auf. Ich erhob mich mühsam und fühlte mich
schlagartig uralt, auf jeden Fall wesentlich älter als meine vierundzwanzig
Jahre. »Es wartet nämlich noch ein weiterer Fall in Ashdown auf mich. Deshalb
werde ich gleich morgen früh abreisen. Aber zumindest die Fahrtkosten müssen
Sie uns erstatten. Wir sind extra von Tulsa hergefahren. Mein Bruder wird Ihnen
sagen, wie viel das macht.«
    Ohne eine
Antwort abzuwarten, verließ ich Branscoms Büro, lief einen Flur entlang und
betrat durch eine Tür den Wartebereich. Ich ignorierte die Einsatzkoordinatorin
hinter dem Schreibtisch, die mich neugierig musterte. Bestimmt hatte sie meinen
Bruder Tolliver genauso neugierig angestarrt, bis ich sie ablenkte.
    Tolliver
ließ die alte Zeitschrift fallen, die er durchgeblättert hatte, und erhob sich
aus dem Kunstledersessel. Tolliver ist siebenundzwanzig. Sein Schnurrbart hat
einen roten Schimmer, ansonsten sind seine Haare genauso schwarz wie meine.
    »Fertig?«,
fragte er. Ich sah ihm an, dass er genervt war. Er blickte auf mich herunter
und hob fragend die Brauen. Tolliver ist mindestens 10 cm größer als ich mit
meinen 1,70 m. Ich schüttelte den Kopf und gab ihm zu verstehen, dass ich ihm
alles Weitere später erzählen würde. Er hielt mir die Glastür auf, und wir
traten in die kühle Abendluft hinaus. Ich spürte, wie mir die Kälte in die
Knochen kroch. Der Fahrersitz im Chevrolet Malibu war auf meine Beinlänge
eingestellt, also setzte ich mich hinters Steuer.
    Das
Polizeirevier lag direkt am Rathausplatz, gegenüber dem Gerichtsgebäude, das
sich in seiner Mitte erhob. Letzteres war ein mächtiger Bau aus den 1920er
Jahren, einer mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher