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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste
Autoren: Steven Erikson
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war die Haut auf seinem Rücken noch dunkler und fleckiger als die auf seinem Kopf. Die Bandage an seiner Hand war ebenfalls verschwunden, enthüllte geschwollene Finger und blutunterlaufene Gelenke. Unglaublicherweise war seine Haut nicht aufgeplatzt; stattdessen hatte es eher den Anschein, als wäre er vergoldet worden. Gehärtet.
    Baudin erhob sich langsam. Jede Bewegung war von fast schmerzhafter Präzision. Sie sah, wie er blinzelte, wie er tief Luft holte. Seine Augen weiteten sich, als er an sich hinunterschaute.
    Das ist wohl nicht das, was du erwartet hattest. Der Schmerz lässt nach – ich kann es an deinem Gesicht ablesen –, er ist jetzt nur noch eine Erinnerung. Du hast überlebt, aber irgendwie … fühlt sich alles anders an. Ja, es fühlt sich an. Du fühlst.
    Kann dich denn gar nichts umbringen, Baudin?
    Er warf ihr einen Blick zu, runzelte dann die Stirn.
    »Wir sind noch am Leben«, sagte sie.
    Sie folgte ihm dichtauf, als er den Hang wieder emporkletterte. Sie standen in einem Trockental, einer schmalen Schlucht, durch die bei plötzlichen Überschwemmungen die Wassermassen mit einer solchen Wucht hindurchgeschossen waren, dass sie in den Biegungen des Kanals schädelgroße Felsstücke zurückgelassen hatten. Der Einschnitt war noch nicht einmal fünf Schritt breit, und auf den doppelt mannshohen Seiten zeigten sich streifenförmige Schichten verschiedenartiger Sandablagerungen.
    Die Hitze war schrecklich. Schweiß rann ihr in Strömen den Rücken hinunter. »Kannst du irgendwo eine Stelle entdecken, an der wir hier herausklettern könnten?«, fragte sie.
    »Kannst du Otataral riechen?«, murmelte Baudin.
    Eine eisige Hand griff nach ihr. Wir sind wieder auf der Insel -»Nein. Du?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann überhaupt nichts riechen. War nur so ’ne Idee.«
    »Keine besonders schöne«, schnappte sie. »Und jetzt sollten wir sehen, dass wir hier herauskommen.« Du erwartest wohl, dass ich mich bei dir bedanke, weil du mir das Leben gerettet hast, stimmt’s? Du wartest auf ein Wort, wenigstens ein einziges Wort, oder vielleicht auch nur auf einen Blick. Aber da kannst du ewig warten. Schläger.
    Sie suchten sich einen Weg durch den mit Felsbrocken übersäten Kanal, umgeben von einer summenden Wolke aus Fliegen und dem Echo ihrer Schritte.
    »Ich bin … schwerer …«, sagte Baudin nach einigen Minuten.
    Sie blieb stehen, drehte sich zu ihm um. »Was?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich bin schwerer.« Er knetete mit der unverletzten Hand seinen Arm. »Irgendwie … fester … Ich weiß es nicht. Irgendwas hat sich verändert.«
    Irgendetwas hat sich verändert. Sie starrte ihn an; die Gefühle in ihrem Innern krümmten sich um unausgesprochene Befürchtungen.
    »Ich hätte schwören können, dass ich bis auf die Knochen verbrannt wäre«, sagte er. Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. »Ich habe mich nicht verändert«, sagte sie, drehte sich um und ging weiter. Sie hörte, dass er ihr einen Augenblick später folgte.
    Sie entdeckten einen Seitenkanal, eine Kluft, durch die Wassermassen heruntergerauscht waren und sich dabei durch die Sandsteinschichten gegraben hatten, um sich mit dem Hauptstrom zu vereinigen. Dieser Riss stieg relativ steil an und öffnete sich bereits nach ungefähr zwanzig Schritten. Sie tauchten am Rande einer stumpfen Hügelkette auf, die auf ein weites Tal hinausschaute, dessen Boden von der Hitze aufgesprungen war. Weitere Hügel, schroffer und zerklüfteter, erhoben sich auf der anderen Seite des Tals. Sie waren durch die aufsteigenden Hitzeschleier nur verschwommen zu erkennen.
    Etwa fünfhundert Schritt von ihnen entfernt stand eine Gestalt in der Trockenpfanne. Zu ihren Füßen lag ein weiterer Körper.
    »Es ist Heboric«, sagte Baudin blinzelnd. »Der, der steht.«
    Und was ist mit dem anderen? Ist er tot oder am Leben? Und wer ist es?
    Seite an Seite gingen sie auf den ehemaligen Priester zu, der sie mittlerweile entdeckt hatte und ihnen entgegenblickte. Auch von seinen Kleidern hatte das Feuer nur verkohlte Fetzen übrig gelassen. Doch unter dem Netz aus Tätowierungen war seine Haut völlig unversehrt.
    Als sie näher kamen, strich Heboric sich über den eigenen kahlen Schädel. »Steht dir gut, Baudin«, sagte er mit einem schiefen Grinsen.
    »Was?«, sagte Felisin in beißendem Tonfall. »Wollt ihr beide jetzt eine Bruderschaft gründen?«
    Die Gestalt zu Füßen des alten Mannes war Kulp, der Magier. Felisin warf ihm einen Blick zu. »Er
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