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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste
Autoren: Steven Erikson
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sich aufrecht zu halten. Er schaffte es nicht. Ich habe keine Kraft mehr. Ich schaffe es nicht … Ich sterbe …
    Die Kraft, die ihn von hinten traf, war wie ein echter Schlag auf seinen Hinterkopf. Der Schmerz ließ ihn Sterne sehen. Eine fremde Macht fuhr durch ihn hindurch, riss seinen Körper in die Höhe. Er spürte, wie seine Füße sich vom Achterdeck lösten und er mit gespreizten Beinen in die Luft stieg. Die Macht hielt ihn, ließ ihn schweben, und ein Wille, der so kalt wie Eis war, durchdrang ihn, erfüllte seinen ganzen Körper.
    Die Macht war untot. Der Wille, der ihn gepackt hatte, gehörte dem Drachen. Ein Hauch von Unmut schwang darin mit. Der Drache schien nur widerwillig zu handeln, doch er griff dennoch nach Kulps magischer, unlogischer Anstrengung … und gab ihr all die Kraft, die sie brauchte. Und noch mehr.
    Kulp schrie. Schmerzen durchzuckten ihn wie gletscherkalte Feuerlanzen.
    Die Untoten kümmerten sich wenig um die Einschränkungen, die sterblichem Fleisch auferlegt waren – diese Lektion wurde ihm jetzt bis ins Mark eingebrannt.
    Der schon weit entfernte Riss schloss sich. Auf einmal benutzten auch andere Mächte den Magier als eine Art Medium. Aufgestiegene, die Kulps ungeheuerliche Absicht begriffen hatten, kamen herbei, um sich voll dunkler Freude an dem Spiel zu beteiligen. Es ist immer nur ein Spiel, was? Ich verfluche euch verdammten Bastarde, alle miteinander! Ich nehme alle meine Gebete zurück! Hört ihr mich? Der Vermummte soll euch alle holen!
    Er stellte fest, dass die Schmerzen verschwunden waren; der Wechselgänger-Drache hatte seine Aufmerksamkeit in dem Augenblick von Kulp abgewandt, da andere Kräfte aufgetaucht waren und seinen Platz eingenommen hatten. Noch immer schwebte der Magier ein paar Fuß über dem Deck, und seine Glieder zuckten, als die Mächte, die ihn benutzten, spielerisch an seiner Sterblichkeit zupften. Diesmal stand nicht die Gleichgültigkeit eines Untoten dahinter, sondern Bosheit. Kulp begann sich nach dem Ersteren zu sehnen.
    Schlagartig fiel er, schlug mit beiden Knien auf das dreckverschmierte Deck. Das Werkzeug hat seinen Zweck erfüllt, das Werkzeug wird beiseite geworfen.
    Stürmisch war an seiner Seite, wedelte mit einem Weinschlauch vor seinem Gesicht herum. Kulp packte den Schlauch und nahm einen großen Schluck, füllte seinen Mund mit der herben Flüssigkeit.
    »Wir fahren im Kielwasser des Drachen«, sagte der Soldat. »Aber wir befinden uns nicht mehr im Wasser. Die Bresche hat sich so fest geschlossen wie der Arsch eines Sappeurs. Was auch immer Ihr getan habt, Magier – es hat geklappt!«
    »Es ist noch nicht vorbei«, murmelte Kulp und versuchte, das Zittern seiner Arme und Beine zu unterdrücken. Er nahm noch einen kräftigen Schluck Wein.
    »Dann seid lieber ein bisschen vorsichtig mit dem Zeug«, sagte Stürmisch grinsend. »Es kann einem einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf versetzen …«
    »Ich würde den Unterschied wahrscheinlich gar nicht bemerken  – mein Kopf fühlt sich jetzt schon an, als ob er aus Brei wäre.«
    »Ihr habt in einem blauen Feuer geleuchtet, Magier. Hab so was noch nie gesehen. Das wird ’ne verdammt gute Kneipengeschichte geben.«
    »Ah, dann habe ich zu guter Letzt doch noch Unsterblichkeit erlangt. Merk dir das, Vermummter!«
    »Könnt Ihr aufstehen?«
    Kulp war nicht zu stolz, sich auf den Arm des Soldaten zu stützen, als er sich schwankend auf die Beine mühte. »Lass mir ein bisschen Zeit«, sagte er. »Dann werde ich versuchen, uns aus dem Gewirr … zurück in unsere Sphäre zu bringen.«
    »Wird das auch wieder so ein harter Ritt werden, Magier?«
    »Das will ich nicht hoffen.«
    Felisin stand auf dem Vorderdeck und sah zu, wie der Magier und Stürmisch sich gegenseitig den Weinschlauch zuschoben. Sie hatte die Präsenz der Aufgestiegenen gespürt, die kalte, blutleere Aufmerksamkeit, die an dem Schiff und allen, die sich an Bord befanden, gezupft und gezerrt hatte. Der Drache war der Schlimmste von allen gewesen, eisig und unnahbar. Für den waren wir nicht mehr als Flöhe auf seiner Haut.
    Sie drehte sich um. Baudin beobachtete aufmerksam die gewaltige geflügelte Erscheinung, die sich ein Stück voraus ihren Weg bahnte; seine bandagierte Hand ruhte auf der geschnitzten Reling. Was auch immer sich unter dem Kiel des Schiffes befand, es rollte in flüsternden Wogen dahin. Die Ruder bewegten sich noch immer mit unbarmherziger Ausdauer, obwohl ganz klar war, dass die Silanda
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