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Rendezvous mit einem Mörder

Rendezvous mit einem Mörder

Titel: Rendezvous mit einem Mörder
Autoren: J.D. Robb
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1
    S ie wurde im Dunkeln wach. Durch die Spalten in den Fensterläden glitt trübes Dämmerlicht und warf schattige Streifen auf das Bett. Es war, als erwache sie in einer Zelle.
    Einen Augenblick lang lag sie einfach da, erschaudernd, gefangen, während der Traum langsam verblasste. Nach zehn Jahren bei der Truppe wurde Eve immer noch gelegentlich von Träumen heimgesucht.
    Sechs Stunden zuvor hatte sie einen Mann getötet, hatte gesehen, wie der Tod ihm in die Augen kroch. Es war nicht das erste Mal, dass sie den gezielten Todesschuss angewandt oder geträumt hatte. Sie hatte gelernt, diese Praxis und ihre Konsequenzen zu akzeptieren.
    Es war das Kind, das sie verfolgte. Das Kind, das sie nicht hatte retten können. Das Kind, dessen Schreie sich in ihren Träumen mit ihren eigenen vermischten.
    All das Blut, dachte Eve und wischte sich mit ihren Händen den Schweiß aus dem Gesicht. Dass ein so kleines Mädchen so viel Blut in seinem Körper hatte. Doch sie wusste, es war lebenswichtig, dass sie die Erinnerung verdrängte.
    Der üblichen Vorgehensweise der Truppe entsprechend würde sie den Vormittag mit diversen Tests verbringen. Jeder Beamte, der durch Gebrauch seiner Waffe ein Leben beendete, benötigte vor Wiederaufnahme des Dienstes eine physische und psychische Unbedenklichkeitsbescheinigung. Eve empfand die Tests als ätzend.
    Sie würde es ihnen zeigen, so wie sie es ihnen bereits zuvor gezeigt hatte.
    Als sie schließlich aufstand, gingen automatisch gedämpft die Deckenlampen an und beleuchteten den Weg ins Bad. Als sie ihr Spiegelbild erblickte, zuckte sie zusammen. Ihre Augen waren vom Schlafmangel verquollen und ihre Haut beinahe so wächsern wie die der Leiche, die sie dem Pathologen überlassen hatte. Statt jedoch weiter darüber nachzudenken, trat sie gähnend unter die Dusche.
    »Achtunddreißig Grad bei vollem Strahl«, sagte sie und stellte sich so, dass das Wasser ihr direkt ins Gesicht spritzte.
    Eingehüllt in den heißen Nebel seifte sie sich müde ein, während sie die Ereignisse des Vorabends noch einmal in Gedanken durchging. Die Tests begannen erst um neun, sodass sie die nächsten drei Stunden nutzen würde, um zur Ruhe zu kommen und den Traum vollends verblassen zu lassen.
    Auch die geringsten Zweifel und das kleinste Bedauern wurden oft genug entdeckt und konnten bedeuten, dass man eine zweite, intensivere Testrunde mit den Geräten und den eulenäugigen Technikern, die sie bedienten, über sich ergehen lassen musste.
    Eve hatte jedoch nicht die Absicht, ihre Arbeit länger als einen Tag zu unterbrechen.
    Sie hüllte sich in ihren Morgenmantel, ging hinüber in die Küche und programmierte ihren AutoChef auf schwarzen Kaffee und leicht gebräunten Toast. Durch das Fenster hörte sie das dumpfe Brummen der Flieger, die die frühen Pendler in die Büros und die späten heimbrachten. Sie hatte das Apartment vor Jahren gerade deshalb ausgesucht, weil es im Zentrum dichten Boden- und Luftverkehrs gelegen war und weil sie die Geräusche und das Gedränge mochte. Abermals gähnend blickte sie aus dem Fenster und verfolgte mit den Augen einen klappernden, alternden Airbus, mit dem Arbeiter, die nicht in der glücklichen Lage waren, entweder in der City oder aber an ihren Computern von zu Hause aus arbeiten zu können, durch die Gegend gekarrt wurden.
    Sie lud die New York Times auf ihren Bildschirm und überflog die Schlagzeilen, während sie an ihrem Ersatzkaffee nippte. Wieder einmal hatte der AutoChef ihren Toast verbrennen lassen, und während sie lustlos daran knabberte, dachte sie flüchtig über die Anschaffung eines neuen Küchencomputers nach.
    Als sie sich stirnrunzelnd in einen Artikel über den Massenrückruf von Cockerspaniel-Droiden vertiefen wollte, blinkte mit einem Mal ihr Tele-Link, sodass sie auf die Kommunikationsebene wechselte und sah, wie ihr Vorgesetzter auf dem Monitor erschien.
    »Commander.«
    »Lieutenant.« Obgleich er ihre noch nassen Haare und ihre müden Augen nicht übersehen konnte, nickte er, statt darauf einzugehen, brüsk mit seinem Kopf. »Vorkommnis in 27, West Broadway, achtzehnter Stock. Sie übernehmen die Leitung der Ermittlungen.«
    Eve zog überrascht die Brauen hoch. »Ich muss zur Überprüfung. Gezielter Todesschuss um zweiundzwanzig fünfunddreißig.«
    »Die Ermittlungen haben Vorrang vor den Tests«, erklärte er ihr reglos. »Holen Sie auf dem Weg zum Tatort Schild und Waffe bei uns ab. Code Five, Lieutenant.«
    »Zu Befehl, Sir.« Noch
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