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Jesus liebt mich

Jesus liebt mich

Titel: Jesus liebt mich
Autoren: David Safier
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die Guten quälen, foltern und ausbeuten, und da niemand mehr sterben konnte, ginge das dann so weiter bis in alle Ewigkeit. Dagegen war der Feuersee ein Wellness-Spa.
     
    Die Innenstadt sah aus wie eines jener Kriegsgebiete, bei denen man in der «Tagesschau» sofort weiterzappt, um lieber zu sehen, was sie so beim «Perfekten Dinner» zubereiten. Häuser brannten, der Mob plünderte gierig die Geschäfte, Menschen liefen blutüberströmt durch die Straßen, und ein Türke verfolgte einen Skinhead mit einer elektronischenSäge – zugegeben, Letzteres sah man nicht allzu oft in der «Tagesschau». Bevor ich mir Gedanken machen konnte, ob ich die Skinhead-wird-angesägt-Geschichte nicht vielleicht sogar mal ganz gerne in den Nachrichten gesehen hätte, ging Jesus auf einen verletzten Mann zu, der am Rinnstein saß, eine Platzwunde unter dem Auge hatte, nichts mehr sehen konnte und vor sich hin brabbelte: «Sie hat mir vorher nie gesagt, wie schlecht sie mich im Bett findet   …»
    Joshua setzte sich zu ihm, und der Mann zuckte vor Angst zusammen, so als ob er gleich erneut geschlagen würde. Doch Joshua sagte zu ihm: «Fürchte dich nicht.»
    Dann spuckte er auf die Erde, bereitete mit dem Speichel einen kleinen Teig und rieb dem Mann diesen unter das verletzte Auge. Danach träufelte er etwas Wasser, das er in einer Trinkflasche in seiner Tasche dabeihatte, auf die Stelle, spülte damit den Teig ab, und die Platzwunde war verschwunden, der Mann konnte wieder sehen. Aber nicht nur das: Joshuas bloße Anwesenheit sorgte dafür, dass die Menschen, die sich in einem ganz kleinen Umkreis von wenigen Metern um ihn herum befanden, ihren Zorn und ihre unbändige Gier vergaßen. Die bösen Gefühle wichen einer Seelenruhe. Plünderungen hörten auf, ebenso wie Gewaltakte, und eine Frau gab einer Mutter ihren Kinderwagen zurück, auch wenn diese davon nicht restlos begeistert war. Mit meiner eigenen Seelenruhe war es in diesem verstörenden Inferno hingegen nicht mehr allzu weit her, zumal mir gerade siedend heiß einfiel, dass meine Eltern geplant hatten, mit Gabriel, Swetlana und den Kindern in der Stadt Eis essen zu gehen. Ich wollte Joshua bitten, sofort mit mir nach ihnen zu suchen, aber er rettete gerade eine Politesse, der Verkehrssünder ihre Strafzettel (alle zweihundert Stück) in den Rachen gestopft und damit eine weitverbreitete Autofahrerphantasie ausgelebt hatten.Mir war klar, Joshua könnte nicht von den Menschen in Not ablassen, nur um nach meiner Familie zu suchen, der es vielleicht gutging – mit etwas Glück saß sie ja noch zu Hause und verdaute Papas unverdauliches Essen. So rannte ich allein mit schmerzenden Füßen in Richtung Eisdiele. Vorbei an brennenden Häusern, Männern in Frauenklamotten und Kindern, die einen Handyverkäufer vermöbelten. Das Martinshorn eines Notarztwagens jaulte, und ich freute mich, dass es Ärzte geben würde, die Joshua nun unterstützten. Doch als ich zu dem Wagen sah, bemerkte ich, dass er Schlangenlinien fuhr, und diese Schlangenlinien führten   … direkt auf mich zu! Ich war starr vor Schreck. Der Wagen kam immer näher, aber ich konnte mich nicht bewegen, auch wenn mein Hirn meine Beine anschrie: «Hey, ihr kleinen stämmigen Stampfer, bewegt euch!» Aber die Todesangst hatte die Verbindung zwischen Hirn und den stämmigen Stampfern blockiert.
     
    «Scotty, schaffen wir das?»
    «Das wird eng.»
    «Wie eng?»
    «Enger als der Rock von Uhura!»
    «Das ist verdammt eng!»
     
    Ich konnte bereits durch die Windschutzscheibe den Fahrer sehen, dessen Gesicht rot und aufgequollen war und der sich überall kratzte, so als hätte er eine Ganzkörperallergie. Gab es so etwas? Und was hatte das hervorgerufen? Vielleicht die Bananen, die er sich gerade gierig in den Mund stopfte? Konnte er mich überhaupt durch seine aufgeschwollenen Augen sehen? Und wenn ja, war er nicht viel zu viel mit Fressen beschäftigt? Was für eine fürchterliche Sache hatte ihn so durchdrehen lassen?
    Ich hatte nur noch wenige Sekunden, bis der Wagen mich überfahren würde, und es war kein echter Trost, dass dann wenigstens die ärztliche Notversorgung zur Stelle sein würde.
    Da hörte ich das grausame Kreischen der flammenden apokalyptischen Höllenpferde über mir. Ich blickte hoch, sah, dass die Reiter sich nun oben im Himmel sammelten, und konnte dabei einen flüchtigen Blick auf ihre Gesichter erhaschen. Für einen Augenblick glaubte ich zu erkennen, dass   … nein, das konnte nicht
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