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Jesus liebt mich

Jesus liebt mich

Titel: Jesus liebt mich
Autoren: David Safier
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Gabriel.
    «Gott lässt den Liebeskummer zu, weil er den Menschen einen freien Willen gegeben hat», erwiderte ich mit einem leicht leiernden Tonfall.
    Ich erinnerte mich auch daran, dass ich damals fand, dass Gott Kevin ruhig den freien Willen wieder hätte nehmen können.
    «Ich habe ebenfalls einen freien Willen», erklärte Gabriel. «Ich bin kurz vor der Pensionierung und muss nicht mehr jeden trauen, von dessen Gottesfürchtigkeit ich nicht überzeugt bin. Warte auf meinen Nachfolger. Der kommt in sechs Monaten!»
    «Wir wollen aber jetzt heiraten!»
    «Und das ist mein Problem, weil   …?», fragte er provozierend.
    Ich schwieg und fragte mich: Darf man Pastoren eigentlich hauen?
    «Ich mag es nicht, wenn man meine Kirche als Eventstätte nutzt», erklärte Gabriel und sah mich durchdringend an. Ich war kurz davor, mich schuldig zu fühlen – meine Wut wich einem diffusen schlechten Gewissen.
    «Du weißt, dass es noch eine evangelische Kirche im Ort gibt», sagte Gabriel.
    «Aber   … in der will ich nicht heiraten.»
    «Und warum nicht?»
    «Weil   … weil   …», ich wusste nicht, ob ich es wirklich sagen sollte. Aber eigentlich war es ja auch egal, Pastor Gabriel hatte offensichtlich eh keine gute meine Meinung von mir. Also sagte ich etwas kleinlaut: «Weil in der Kirche meine Eltern geheiratet haben.»
    Verblüffenderweise wurde Gabriel nun sanfter: «Du bist Mitte dreißig, da müsstest du doch über die Trennung deiner Eltern langsam mal hinweg sein?»
    «Klar   … klar, bin ich das, wäre ja auch albern, wenn nicht», antwortete ich. Schließlich hatte ich ja ein paar Stunden Therapie hinter mir, bis die mir zu teuer wurde. (Eigentlich sollten alle Eltern darauf verpflichtet werden, für ihre Kinder gleich bei der Geburt ein Sparkonto einzurichten, damit die später davon ihren Psychologen zahlen konnten.)
    «Aber du hast dennoch Angst, dass es Unglück bringt, dich in der Kirche trauen zu lassen, in der deine Eltern heirateten?», hakte Gabriel nach.
    Nach kurzem Zögern nickte ich: «Ich bin halt abergläubisch.»
    Er sah mich an, mit einem überraschend verständnisvollen Blick. Anscheinend setzte gerade seine christliche Nächstenliebe ein.
    «Einverstanden», erklärte er. «Ihr könnt hier heiraten.»
    Ich konnte es kaum fassen: «Sie   … Sie sind ein Engel, Pastor!»
    «Ich weiß», antwortete er und lächelte dabei merkwürdig melancholisch.
    Als Gabriel merkte, dass mir dies auffiel, bedeutete er mir hinauszugehen. «Schnell, bevor ich es mir anders überlege.»
    Ich sprang erleichtert auf und eilte Richtung Tür. Dabei fiel mein Blick auf ein weiteres Gemälde, diesmal eines von der Wiederauferstehung Jesu. Und ich dachte bei mir: Der sieht wirklich so aus, als ob er gleich
Stayin’ Alive
singen würde.

2
    «Ich hab dir doch gesagt, Pastor Gabriel ist ein ganz netter Mann», sagte Sven, während er mir auf dem Sofa in unserer süßen kleinen Dachgeschosswohnung die Füße massierte. Das machte er – im Gegensatz zu allen anderen Männern – supergerne, was ich auf einen seltenen Gendefekt zurückführte.Meine Exfreunde hatten mich meistens nicht länger als zehn Minuten massiert und erwarteten für diese großartige Leistung anschließend Sex. Besonders Stewardessliebhaber Marc, von dem ich hoffte, dass er später in der Hölle von äußerst kreativen Dämonen betreut würde, die in der altehrwürdigen Kunst der Kastration ausgebildet waren.
     
    Bevor ich mit Mitte dreißig Sven kennenlernte, war ich Single und mein Sexleben inexistent. Jedes Mal, wenn ich Frauen mit Kindern sah, merkte ich, wie meine biologische Uhr ticktack machte. Und jedes Mal, wenn diese völlig übermüdeten Mütter mich mitleidig anlächelten und mir erzählten, dass man nur mit Kindern eine glückliche, erfüllte, in sich ruhende Frau sein konnte, traf das mein äußerst fragiles Selbstbewusstsein. In diesen Augenblicken konnte ich mich nur mit einem Liedchen beruhigen, das ich extra für solche Situationen gedichtet hatte: «Ich hab keine Schwangerschaftsstreifen, dudei, dudei! Ich hab keine Schwangerschaftsstreifen, dudei, dudei, hey!»
    Ich versuchte mich schon mit der Tatsache abzufinden, als eine dieser alten Frauen zu enden, die sieben Monate nach ihrem Tod zufällig von Entrümpelungsunternehmern verwest in ihrer Zweizimmerwohnung gefunden werden, da traf ich Sven.
    Ich hatte zuvor in einem Malenter Café im Vorbeigehen gegenüber einer extrem nervigen frischgebackenen Mutter meinen
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