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Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist

Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist

Titel: Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist
Autoren: Rita Mae Brown
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    Mary Minor Haristeen, von ihren Freunden Harry genannt, marschierte neben den Bahngleisen her, dicht gefolgt von Mrs Murphy, ihrer klugen, eigenwilligen Tigerkatze, und Tee Tucker, ihrem Welsh Corgi. Hätte man Katze und Hund gefragt, so hätten diese gesagt, dass Harry ihnen gehöre, nicht umgekehrt; ohne jeden Zweifel jedoch gehörte Harry nach Crozet, Virginia. Mit dreiunddreißig Jahren war sie die jüngste Posthalterin, die Crozet je gehabt hatte, aber es hatte ja auch niemand anders den Job haben wollen.
    Crozet schmiegt sich in eine Mulde der Blue Ridge Mountains. Die Stadt besteht, wie sich das gehört, aus der Railroad Avenue, die parallel zu den Gleisen der Chesapeake & Ohio Railroad verläuft, und einer sie kreuzenden Straße, die Whitehall Road heißt. Etwa fünfzehn Kilometer östlich liegt die reiche und mächtige Kleinstadt Charlottesville, die sich wie ein goldener Pilz nach Osten, Westen, Norden und Süden ausbreitet. Harry mochte Charlottesville eigentlich ganz gern. Die Landerschließer waren es, die sie nicht so gern mochte, und sie betete jeden Abend, dass diese Crozet mit seinen dreitausend Einwohnern weiterhin für ein unbedeutendes kleines Kaff an der Westroute halten und übersehen würden.
    Ein graues Schindelgebäude mit weißer Einfassung neben dem Bahnhof beherbergte das Postamt. Daneben lag »Market« Shifletts winziges Lebensmittel- und Fleischereigeschäft. Alle Leute wussten die Bequemlichkeit zu schätzen, sich an einem zentral gelegenen Ort mit Milch, Post und Klatsch versorgen zu können.
    Harry schloss die Tür auf und betrat ihre Dienststelle in genau dem Augenblick, als die große Bahnhofsuhr sieben schlug, sieben Uhr früh. Mrs Murphy sauste wie der Blitz an ihr vorbei; Tucker kam in gemächlicherer Gangart nach.
    Ein leerer Postbehälter lockte Mrs Murphy. Sie hüpfte hinein. Tucker beklagte sich, dass sie nicht hineinspringen konnte.
    »Sei still, Tucker. Mrs Murphy ist gleich wieder draußen – nicht wahr?« Harry beugte sich über den Behälter.
    Mrs Murphy starrte zu ihr hinauf und sagte: »Von wegen. Lass Tucker nur meckern. Sie hat heute Morgen mein Katzenminze-Säckchen geklaut.«
    Alles, was Harry hörte, war ein Maunzen.
    Die Corgihündin hörte jedes Wort. »Du bist ein richtiges Luder, Mrs Murphy. Du hast massenhaft solche Säckchen.«
    Mrs Murphy legte die Pfoten auf den Rand des Behälters und lugte hinüber. »Na und? Ich habe nicht gesagt, dass du auch nur mit einem davon spielen darfst.«
    »Lass das, Tucker.« Harry dachte, der Hund knurre völlig grundlos.
    Draußen hupte es. Rob Collier, der den großen Postwagen fuhr, lieferte die Morgenpost. Um vier Uhr nachmittags würde er wiederkommen, um Post abzuholen.
    »Du bist früh dran«, rief Harry ihm zu.
    »Wollte dir ’nen Gefallen tun.« Rob lächelte. »Weil nämlich in genau einer Stunde Mrs Hogendobber schnaufend und prustend vor dieser Tür stehen wird, um ihre Post zu holen.« Er ließ zwei große Postsäcke auf die Vordertreppe plumpsen und kehrte zum Wagen zurück. Harry trug die Säcke hinein.
    »He, das hätte ich für dich machen können.«
    »Ich weiß«, sagte Harry. »Ich brauch Bewegung.«
    Tucker erschien in der Tür.
    »Hallo, Tucker«, begrüßte Rob den Hund. Tucker wedelte mit dem Schwanz. »Na gut, weder Regen noch Glatteis noch Schnee und so weiter.« Rob rutschte hinters Lenkrad.
    »Es sind fünfundzwanzig Grad um sieben Uhr früh, Rob. Ich an deiner Stelle würde mir keine Sorgen um das Glatteis machen.«
    Er lächelte und fuhr los.
    Harry öffnete den ersten Sack. Mrs Hogendobbers Post lag zuoberst, ordentlich mit einem dicken Gummiband gebündelt. Wenn Rob Zeit hatte, legte er Mrs Hogendobbers Post im Hauptpostamt in Charlottesville auf einen Extrahaufen. Harry steckte die Handvoll Briefe in den Schlitz des Postfachs. Danach begann sie, den Rest zu sortieren: Rechnungen, genügend Versandhauskataloge, um sämtliche Männer, Frauen und Kinder in den Vereinigten Staaten neu einzukleiden, und natürlich private Briefe und Postkarten.
    Courtney Shiflett, Markets vierzehnjährige Tochter, erhielt eine Postkarte von Sally McIntire aus einem Ferienlager. Kelly Craycroft, der gut aussehende, reiche Inhaber einer Straßenbaufirma, war der Empfänger einer Glanzpostkarte aus Paris. Es war eine Fotografie von einem schönen Engel mit Flügeln. Harry drehte sie um. Es handelte sich um den Grabstein Oscar Wildes auf dem Friedhof Père Lachaise. »Schade, dass Du nicht hier bist«,
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