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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke
Autoren: Antonia Michaelis
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etwas helfen würde.
    Viele Menschen hasteten an ihm vorbei, Leute in Anzügen, mit ernsten Gesichtern und schwarzen Mappen unter dem Arm. Mama und er drückten sich ans Geländer, um sie durchzulassen. Hier wurden wichtigere Dinge verhandelt als der Diebstahl von Edelsteinen. Alles an der Treppe, andem Gebäude, an den Leuten sagte Joern, wie unbedeutend sie waren: er und Onnar und Mama und die vier D, und überhaupt solche Menschen wie sie.
    Unten zwischen den Büschen neben dem Gerichtsgebäude stand Almut mit Nordwind und Ostwind und blickte ebenfalls nervös auf die Uhr. Er sah, wie sich die Leute wunderten. Denn sie hatten noch nie ein kleines rothaariges Mädchen mit zwei Pferden vor dem Gerichtsgebäude warten sehen.
    Die Zeiger der Uhr waren inzwischen auf halb eins vorgerückt. Nirgendwo war eine Spur von Lasse oder Flint zu entdecken. Dafür kamen jetzt zwei Männer die breite Treppe herauf: ein alter und ein junger, auch diese beiden in tadellosen Anzügen.
    »Hallo, Joern«, sagte Pöhlke senior. »Dein Bruder hätte auf mich hören sollen. Unter fünf Jahren kommt er nicht weg. Fünf Jahre hinter Gittern. So was Dummes! Zwei der Steine waren besonders schön geschliffen. Es wird die Verhandlung einfacher machen, dass wir ihre Übergabe auf Video festgehalten haben.«
    »Die letzten beiden Steine stammen nicht aus der Kiste!«, zischte Joern. »Dafür habe ich einen Beweis.«
    Er fühlte mit Daumen und Zeigefinger nach dem Ring in seiner Tasche. Aber war der Ring wirklich ein Beweis?
    Pöhlke zuckte mit den Schultern. »Ich habe ein paar Zeugen dafür, wie dein Bruder die Kiste in den Keller geschafft hat.«
    Er wies die Treppe hinunter. Joern erkannte die drei Männer gleich, obwohl er sie nur ein Mal gesehen hatte, inmitten der tiefen Dunkelheit eines stillgelegten Stollens. Natürlich. Pöhlke hatte sie bezahlt. Sie würden alles bezeugen, was er wollte. Der Ring würde Joern nichts nützen. Nicht einmal, wenn man ihm glaubte.
    »Und wer von ihnen hatte den Auftrag, den Großen umzubringen?«, fragte er.
    Doch da war Pöhlke schon weitergegangen, die Treppe hinauf.
    Einige Regentropfen fielen auf die glatten Marmorstufen. Joern sah zum Himmel auf. Dunkle Wolken ballten sich dort zusammen wie Fäuste. Er spürte Mamas Hand auf seinem Arm.
    »Wir sollten hineingehen«, sagte sie leise. »Es ist Viertel vor eins. Er kommt nicht.«
    »Er kommt«, sagte Joern. »Ich weiß es.«
    Von unten winkte Almut. Und jetzt war noch jemand dort angekommen: Holm. Sie schienen irgendetwas zu besprechen.
    »Onnar ist auch noch nicht da«, sagte Joern. »Vielleicht gibt es irgendwo in der Stadt einen Stau, in dem sie alle feststecken, Flints Auto und der Wagen, der Onnar vom Gefängnis herbringt.«
    »Nein«, sagte Mama. »Onnar ist längst drin. Bestimmt haben sie ihn durch einen anderen Eingang reingebracht.« Sie sah Joern an. »Ich will nicht, dass er denkt, wir hätten ihn im Stich gelassen. Komm. Holen wir Almut.«
    Im diesem Moment begann es zu regnen. Joern ging dieStufen mit einem Herzen hinunter, das Tonnen wog. Er wünschte sich, dass der Regen ihn von Kopf bis Fuß durchweichte: das gebügelte Hemd, die polierten Schuhe, alles. Er wünschte sich, dass der Regen ihn auflöste. Ihn mit sich fortspülte, den Finsterbach hinab, irgendwohin.
    »Pöhlke hat gewonnen«, sagte er, als er am Fuß der Treppe ankam. »Die Schwarze Stadt hat gewonnen. Lasse hat uns vergessen.« Er konnte seine Enttäuschung nicht vor Almut verbergen.
    »Vergessen? Red keinen Unsinn!«, erwiderte Almut. Ihre Augen loderten kampfeslustig. »Weißt du nicht mehr, was er gesagt hat? ›Wenn wir nicht da sind, dann ist etwas schiefgegangen.‹ Dann musst du zur Finsterbachbrücke reiten, so schnell du kannst, hinübergehen und sie vom Norderhof holen.«
    »Da kommt jemand«, sagte Holm. »Vielleicht sind es Lasse und sein Vater.«
    Ein grauer Wagen hielt mit quietschenden Reifen jenseits des Vorplatzes, der die Straße von der Treppe trennte. Zwei Männer sprangen heraus. Keiner von ihnen war Flint. Sie sahen auf die Uhr und öffneten eine der hinteren Türen. Ein junger Mann in Handschellen stieg heraus.
    »Onnar!«, flüsterte Mama. »Sie sind tatsächlich spät dran. Jetzt sollten wir aber wirklich hineingehen.«
    »Oh nein«, sagte Almut. »Das werden wir nicht. Wisst ihr, was wir jetzt tun? Wir reiten zur Finsterbachbrücke und holen Lasse! Und Onnar wird selbst mit Flint sprechen, ehe sie eine so durch und durch unsinnige Verhandlung
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