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Der Fluch der grünen Steine

Der Fluch der grünen Steine

Titel: Der Fluch der grünen Steine
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Mit einem Brief begann es.
    Er trug Poststempel Bogotá, Columbia, war mit der Luftpost gekommen, seit sechs Tagen unterwegs – obgleich kein Flugzeug sechs Tage von Kolumbien bis Hamburg braucht –, und das Auffallendste an ihm war zunächst die bunte Briefmarke. Sie zeigte eine tropische Landschaft mit Riesenbäumen, bunten Papageien und einem Gewirr von Lianen.
    Dr. Peter Mohr betrachtete die Vorderseite des Kuverts, die Briefmarke, den Poststempel und drehte es dann erst um. Der Absender war ihm ein Rätsel; Fabril de farmacologia ›H. Strothfeld‹, Bogotá City. Als Dr. Mohr vorhin das Ärztekasino betreten hatte, schwenkte die Serviererin schon von weitem den Brief in der Hand und lief auf ihn zu.
    »Herr Doktor! Herr Doktor! Für Sie! Ein Brief aus Südamerika. Kann ich die Marke bekommen für meinen kleinen Bruder? Der sammelt alle Briefmarken, wo Bilder drauf sind.«
    »Selbstverständlich, Anni. Ich gebe Ihnen das ganze Kuvert.«
    Sechs Stunden Operation lagen hinter ihm. Ein Magendurchbruch, eine Galle, gefüllt mit sage und schreibe 32 gelbgrünen Gallensteinen; zuletzt eine Darmverkürzung mit Anus praeter, die nur eine Entlastungsoperation war. Der Mann war 64 Jahre alt. Sein Körper saß bereits voller Metastasen. Da nutzten auch keine Bestrahlungen mehr. Aber ein oder zwei Lebensjahre, die hatte man ihm noch schenken können mit dieser Operation.
    Erschöpft ließ sich Dr. Mohr auf den plastikbezogenen Stuhl fallen, nahm zwei Schlucke von dem Tee mit Rum, den Anni ihm ungefragt hinstellte. Jeden Operationstag wiederholte sich der Ritus des Teetrinkens, kombiniert mit einem Stück Kuchen, meistens eine Biskuitrolle, mit Käsesahne gefüllt.
    Pharmazeutische Fabrik Dr. H. Strothfeld, dachte Dr. Mohr, während er das Kuvert mit einem Messer aufschlitzte. Kenne ich nicht. Reklamebriefe kommen doch entweder an die Krankenhausverwaltung oder an die Privatadressen der Ärzte. Was ihn vor allem stutzig machte, war die Anschrift. ›Dr. Pit Mohr (nicht Othello)‹, stand da. Dann die Adresse des Krankenhauses und in der oberen linken Ecke war in roten handschriftlichen Druckbuchstaben ›Privat‹ hingeschrieben.
    Pit Mohr (nicht Othello), diese Anrede kannte nur ein kleiner Kreis. Damals auf der Universität in Heidelberg war das ein geflügeltes Wort gewesen: Da kommt Othello. Man sagte das nicht nur wegen seines Namens Mohr; er trug damals auch seine pechschwarzen, kleingelockten Haare wie ein Farbiger kurz geschnitten. Die Mädchen waren wie wild hinter ihm her, und seine Kommilitonen beneideten ihn. Gute, alte Studentenzeit. Wie lange war das her? Sechs Jahre schon! Und nun, nach sechs Jahren, schrieb jemand aus Südamerika wieder Pit Mohr (nicht Othello)!
    Der Brief war zwei Seiten lang. Dr. Mohr las zuerst die Unterschrift: Dein Ewald.
    Ewald? Wer war Ewald? Er rekapitulierte schnell seine ehemaligen Freunde. Nach den Examina waren sie in alle Welt verstreut worden, nur wenige hatten Kontakt untereinander gehalten. Ein Ewald war nicht dabei.
    Aber schon der erste Satz des Briefes klärte die Frage. Ewald schrieb:
    »Du wirst Dich wundern, wieder etwas von Ewald Fachtmann zu hören, alter Junge! Erinnerst Du Dich? Ich kam von der Pharmakologie zu Euch Quacksalbern, und schon bei der ersten Paukpartie hast Du mir einen Zieher verpaßt. Wir haben dann drei Semester wie die Irren gesoffen, bis ich nach Freiburg überwechselte. Dich zu finden, war gar nicht leicht, aber es ist gelungen, wie Du siehst. Ich bin jetzt hier in Bogotá und leite die deutsche Niederlassung der pharmazeutischen Werke H. Strothfeld mit der Aufgabe, neben den bekannten Antibiotika nun auch Anti-Babypillen in Kolumbien populär zu machen. Junge, das ist gar nicht so einfach. Erstens ist die Kirche dagegen, und zweitens erkläre einem Chibcha-Indianer in den Kordilleren einmal, daß nach den weißen Pillchen der Papa einen Freischußschein bekommen hat. Wie kann man das auch begreifen? Soweit mein Leben.
    Frage: Bist Du fest an das Krankenhaus gebunden, Mehrjahresvertrag und so? Wenn nicht, Othello, komm 'rüber zu mir! Ich weiß, daß Du ein Abenteurertyp bist, daß die weite Welt mehr Dein Arbeitsgebiet ist als der schmale OP-Tisch in einem blutriechenden gekachelten Raum. Und hübsche Mädchen gibt's überall – vor allem hier! Glutäugig, schmalhüftig, langbeinig und rundbrüstig! Was willst Du mehr? Vor allem aber: Wir brauchen hier dringend gute Ärzte. Die medizinische Versorgung gerade auf dem Lande, bei den Indianern
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