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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke
Autoren: Antonia Michaelis
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bis es ihm gelang, eine Stelle am Ufer zu finden, wo er ans Wasser herankam, weit, weit westlich vom Norderwald.
    Er sagte nicht viel und stellte keine Fragen. Ihm war klar, dass ich alles wusste. Er machte ein Feuer und trocknete meine Kleider. Dann briet er ein paar Fische. Er pflegte mich, bis es mir wieder besser ging. Aber mein Knöchel tat so weh, dass ich nicht laufen konnte, und der Weiße Ritter sagte, ich bräuchte einen Arzt, nur könnte er mich zu keinem bringen, weil er Angst hätte, dass sie ihn suchten. Und schließlich beschloss er, mir stattdessen das Reiten beizubringen. Es hat mäßig gut funktioniert. Aber schließlich hat Nordwind mich hierher gebracht. Es war ein weiter Weg. Da draußen gibt es nicht nur schwarze Städte, weißt du. Es gibt auch eine Menge wilde Wälder außer dem Norderwald, die man später mal erforschen sollte.« Er seufzte. »Nur vorerst nicht. Vorerst kann ich bloß humpeln. Doktor Bartens kommt doch sicher irgendwann mal wieder vorbei auf dem Norderhof?«
    »Wir könnten auch zu einem Arzt in der Stadt gehen«, sagte ich. »Bald sogar auf dem kürzesten Weg. Es wird wieder eine Brücke geben über den Finsterbach.«
    »Das ist schön«, sagte Joern und seufzte tief. »Und ich wäre dafür, dass wir den Bach dann umbenennen. Die Schlucht übrigens auch.«
    Ich überlegte. »Wir wäre es mit Schattenklamm?«, schlug ich vor. »Und Dunkelwasser?«
    Joern lachte. »Vergiss es.«
    »Und der Weiße Ritter?«, fragte ich nach einer Weile. »Wohin ist er gegangen?«
    »Wer weiß?«, sagte Joern. »Ich habe ihn nicht gefragt. Vielleicht streift er einsam durch die Wälder und spricht mit keinem und befreit die Leute von irgendwelchen Ungeheuern, die es zur Abwechslung wirklich gibt. Und ohne ihr Blut zu fordern? Vielleicht begegnen wir ihm eines Tages, wenn wir erwachsen sind.«
    Genau in diesem Moment raschelte es hinter uns im Gebüsch und wir fuhren herum.
    Doch es war nur Almut, die zwischen den Ästen hervorkroch. Ihre roten Haare waren zerzaust wie immer und heute hatten sich Holzspäne vom Brückenbau darin verfangen.
    »Na?«, fragte sie. »Habt ihr schon wieder gedacht, ich wäre jemand anders?«
    Wir nickten beide.
    Almut seufzte. Dann musterte sie Joern von oben bis unten und ein strahlendes Lächeln breitete sich über ihr wildes sommersprossiges Gesicht.
    »Nur vorweg, damit du nicht erschrickst«, sagte Joern schnell. »Ich bin nicht tot.«
    »Natürlich nicht«, sagte Almut.
    Und weil in dem Grab auf der Lichtung niemand lag, der sie brauchte, pflückten wir die weißen Lilien alle ab. Wir würden sie in Frentjes große Vase stellen, die keine Urne mehr war. Und wir lachten zusammen, genau wie früher,und redeten über ein neues Abenteuer, das man erleben könnte. Dann wanderten wir gemeinsam von der Lichtung fort, zwischen die Bäume hinein, wo durch die Lücken im grünen Geäst die Sonne aufs Moos schien. Flop rannte uns mit wehenden Ohren nach und Almut führte Nordwind am Zügel, der Joern mit seinem kaputten Knöchel trug.
    Und alles, alles war gut.
    Endlich.

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