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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke
Autoren: Antonia Michaelis
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Und davon, wie Onnar alles hatte ändernwollen und dass sie ihm gesagt hatten, Flint wollte nicht mit ihm sprechen. Und Flint seufzte.
    »Ja«, sagte er. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit keinem sprechen will.«
    Da dachte ich: Sicher hat er jetzt ein schlechtes Gewissen deswegen. Und ich erzählte von Pöhlke und seinem tüchtigen, dummen Sohn und von dem Telefonat, das wir belauscht hatten, und von Onnar, der im Gefängnis war, obwohl er gar nichts getan hatte.
    »Heute um eins ist die Verhandlung«, sagte ich zum Schluss. »Um Viertel vor eins treffen wir uns mit Joern und seinen Brüdern vor dem Gericht in der Schwarzen Stadt.«
    Flint sah mich an und schwieg.
    »Und das ist noch nicht alles«, fuhr ich fort. »Wir müssen die Welten verbinden. Wir müssen die Mauer abreißen und eine Brücke bauen über den Finsterbach, eine richtige Brücke. Hier ist alles so schön und in der Schwarzen Stadt so schrecklich. Wir müssen den Menschen dort helfen.«
    »Lasse«, sagte Flint langsam. »Ich habe hart dafür gearbeitet, dass es hier so ist, wie es ist. Du weißt jetzt, dass ich aus der Schwarzen Stadt komme. Du weißt, dass ich im Bergwerk gearbeitet habe, als ich so alt war wie Onnar. Du weißt, dass ich es war, der den Nachtspat entdeckt hat.«
    »Ja«, sagte ich, »und?«
    »Ich habe hindurchgesehen und alles war schön. Und ich wollte eine Welt schaffen, die nur schön ist. Eine Märchenwelt wie in den Büchern aus der Leihbücherei. Nun sagst du mir, ich soll sie zerstören?«
    »Nein!«, rief ich. »Du sollst sie öffnen! Für die anderen!«
    »Das kommt aufs Gleiche heraus«, sagte Flint. »Die Schwarze Stadt wird schöner werden, aber der Norderwald wird etwas von seiner Schönheit verlieren. Stell dir zwei Töpfe Farbe vor, Lasse. Einen mit weißer Farbe und einen mit schwarzer. Und wenn du sie zusammenkippst und schüttelst, wird nicht alles weiß – es wird grau.«
    Er stand auf, trat ans Fenster und öffnete es weit. »Komm her, Lasse«, sagte er. »Sieh dir den Wald an. Stell dir vor, es wären überall darin Wege und Leute und Papierkörbe und jeder könnte auf den Hof kommen.«
    »Eine Menge Kinder kämen!«, rief ich. »Wir würden Fußball spielen und hätten verdammt viel Spaß!«
    »Du müsstest alles teilen«, sagte Flint. »Den Werkzeugschuppen und das goldene Licht und den Fluss, auf dem jeder herumpaddeln könnte. Und nachts wäre es nicht mehr sicher im Wald, weil man nicht weiß, wer dort auf einen wartet. Böse Leute gibt es überall. Wir müssten die Türen verschließen wie zur Zeit des Weißen Ritters. Nur dieses Mal für immer.«
    Ich schluckte. »Okay«, sagte ich, »dann verschließen wir eben die dummen Türen.«
    »Das willst du?«, fragte Flint.
    Ich nickte. »Das will ich.«
    Flint schwieg lange. Ich dachte, nun würde er sagen: Gehen wir. Ich ziehe nur schnell meinen Mantel an. Wir nehmen die Brücke, denn wir haben nicht mehr viel Zeit.
    Doch als er endlich sprach, sagte er etwas anderes.
    » Ich will es nicht, Lasse«, sagte er. »Ich habe mehr Hässliches und Böses gesehen, als du jemals sehen wirst. Und ich werde keine Brücken bauen. Ich werde nirgendwohin gehen, um jemanden aus dem Gefängnis zu holen, den ich nicht kenne. Ich will, dass du nie mehr in die Schwarze Stadt gehst. Nie, nie wieder. Ich habe die letzte Verbindung zur Schwarzen Stadt zerbrochen. Ich hätte es schon vor Jahren tun sollen. Lass sie mit dem Bergwerk machen, was sie wollen. Es geht mich nichts mehr an. Flint Hagen ist tot. Flint Windström lebt.«
    Ich starrte ihn an. »Das meinst du nicht ernst!«
    »Doch«, sagte Flint. »Und Almut holen wir auch zurück. Lass das nur meine Sorge sein.«
    »Aber du musst mitgehen!«, schrie ich. »Du musst Onnar helfen! Joern und seine Mutter … ich meine: unsere Mutter … sie warten auf mich!«
    » Unsere Mutter?«, fragte Flint.
    »Ja!«, schrie ich. »Zufällig bin ich Joerns Bruder! Und zufällig gehöre ich deshalb genauso in die Schwarze Stadt wie hierher! Und zufällig gehe ich jetzt genau dahin zurück!«
    Ich wollte mich an ihm vorbeidrängen, doch er hielt mich fest.
    »Du gehst nirgendwohin.«
    Ich wand mich in seinem Griff. Flint war stark, aber er wollte mir nicht wehtun und deshalb setzte er nicht seine ganze Kraft ein. Wir rangen miteinander, wie wir gerungen hatten, als ich noch klein gewesen war. Nur war es diesmal nicht zum Spaß. Schließlich landeten wir auf dem Bodenund etwas kullerte aus meiner Hosentasche. Wir hielten beide inne und
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