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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
Autoren: Charlotte Brontë
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Stehen die Dinge wirklich so zwischen dir und St. John Rivers?«
    »Ganz so, Sir. Oh, Sie haben keine Ursache, eifersüchtig zu sein! Ich wollte Sie nur ein wenig necken, um Sie Ihrer Traurigkeit zu entreißen. Ich glaubte, Ärger sei besser für Sie als Kummer. Wenn Sie aber wollen, dass ich Sie liebe … ach, könnten Sie nur sehen, wie viel grenzenlose Liebe zu Ihnen auf dem Grunde meines Herzens ruht, so würden Sie stolz und zufrieden zugleich sein. Mein ganzes Herz gehört Ihnen, Sir. Und bei Ihnen würde es auch bleiben, wenn das Schicksal so grausam wäre, mein übriges Selbst für immer aus Ihrer Nähe zu verbannen!«
    Er küsste mich. Aber wiederum zogen trübe Wolken über seine Stirn.
    »Mein verlorenes Augenlicht! Meine gelähmte Kraft!«, murmelte er bedauernd.
    Ich streichelte ihn, um ihn zu beruhigen. Ich wusste, woran er dachte; gern hätte ich für ihn gesprochen, aber ich hatte nicht den Mut dazu. Als er den Kopf einen Augenblick zur Seite wandte, sah ich eine Träne unter seinen geschlossenen Lidern hervorquellen und über seine gebräunte Wange rollen. Mein Herz klopfte laut und heftig.
    »Jetzt bin ich nichts Besseres als der alte, vom Blitzstrahl getroffene Kastanienbaum im Obstgarten von Thornfield«, bemerkte er nach längerem Schweigen. »Und welches Recht hätte jener Baumstumpf von einer blühenden Waldhecke zu verlangen, dass sie seinen Verfall mit frischem Grün bedecke?«
    »Sie sind keine Ruine, Sir, kein vom Blitz zerschmetterter Baum: Sie sind noch grün und kräftig. An Ihren Wurzeln werden Pflanzen emporwachsen, ob Sie sie das wollen oder nicht, denn es gefällt ihnen in Ihrem wohltätigen Schatten. Und während sie wachsen, werden sie sich an Sie lehnen und sich um Sie schlingen, weil Ihre Kraft den zarten Schösslingen einen so sicheren Halt gewährt.«
    Wiederum lächelte er. Ich spendete ihm Trost.
    »Du sprichst von Freunden, Jane?«, fragte er.
    »Ja, von Freunden«, entgegnete ich zögerlich. Ich hatte wohl
mehr
als Freunde im Sinn gehabt, hatte aber die rechten Worte nicht so schnell gefunden. Er half mir.
    »Ach, Jane! Aber ich will eine Frau.«
    »Wirklich, Sir?«
    »Ja! Überrascht dich das?«
    »Natürlich! Bis jetzt ließen Sie nichts davon verlauten.«
    »Ist es eine unwillkommene Nachricht für dich?«
    »Das hängt von den Umständen ab, Sir, von Ihrer Wahl.«
    »Die sollst du für mich treffen, Jane. Ich werde deinen Entschluss befolgen.«
    »So wählen Sie diejenige, Sir,
welche Sie am meisten liebt

    »Ich will aber diejenige wählen,
die ich am meisten liebe
. Jane, willst du mich heiraten?«
    »Ja, Sir.«
    »Einen armen, blinden Mann, den du an der Hand führen musst?«
    »Ja, Sir.«
    »Einen Krüppel, der zwanzig Jahre älter ist als du, den du bedienen musst?«
    »Ja, Sir.«
    »Wirklich, Jane?«
    »Wirklich und wahrhaftig, Sir.«
    »O mein Liebling! Gott segne und belohne dich!«
    »Mr. Rochester, wenn ich je in meinem Leben eine gute Tat vollbracht habe, wenn ich einen edlen Gedanken gedacht habe, wenn ich ein reines und aufrichtiges Gebet gesprochen habe, wenn ich nur einen gerechten Wunsch gehegt habe – so bin ich jetzt belohnt. Ihre Frau zu sein bedeutet für mich das größte mögliche Glück auf dieser Erde.«
    »Weil du glücklich bist, wenn du Opfer bringen kannst.«
    »Opfer! Was opfere ich denn? Ich gebe die Hungersnot für Nahrung hin, Erwartung für Zufriedenheit. Dass es mir vergönnt ist, mit meinen Armen zu umschlingen, was ich schätze – meine Lippen auf das zu drücken, was ich liebe – bei dem auszuruhen, dem ich vertraue: Heißt das etwa, ein Opfer zu bringen? Wenn dem so ist, dann bin ich allerdings glücklich, Opfer bringen zu können.«
    »Und meine Gebrechlichkeit zu ertragen, Jane, meine Mängel zu übersehen?«
    »Für mich ist es keine Gebrechlichkeit, kein Mangel, Sir. Jetzt, wo ich Ihnen wirklich von Nutzen sein kann, liebe ich Sie inniger als zur Zeit Ihrer stolzen Unabhängigkeit, wo Sie jede andere Rolle als die des Gebenden und Beschützers verschmähten.«
    »Bis jetzt hasste ich es, wenn man mir half, wenn man mich führte. Aber von nun an, das fühle ich, wird es mir nicht mehr verhasst sein. Es war mir fürchterlich, meineHand in die eines Mietlings zu legen, aber es ist wohltuend, sie von Janes zarten Fingern umfassen zu lassen. Ich zog absolute Einsamkeit der beständigen Anwesenheit meiner Dienstboten vor; aber Janes sanfte, geduldige Unterstützung wird eine immerwährende Freude für mich sein. Jane ist mir
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