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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
Autoren: Charlotte Brontë
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Besuchte er die Schule häufig?«
    »Täglich.«
    »Und er billigte deinen Lehrplan, Jane? Ich bin überzeugt, dass dieser gut war, denn du bist ja ein talentiertes Geschöpf.«
    »Er billigte ihn, ja.«
    »Er hat wohl manche gute Seite an dir entdeckt, auf die er nicht vorbereitet war? Einige deiner Talente sind von ganz ungewöhnlicher Art.«
    »Das weiß ich wirklich nicht.«
    »Du sagst, du habest ein kleines Häuschen in der Nähe der Schule gehabt? Kam er oft dorthin, um dich zu besuchen?«
    »Dann und wann.«
    »Am Abend?«
    »Ein oder zwei Mal.«
    Eine Pause.
    »Und wie lange wohntest du noch mit ihm und seinen Schwestern zusammen, nachdem die Verwandtschaft entdeckt war?«
    »Fünf Monate.«
    »Verbrachte St. John Rivers einen großen Teil seiner Zeit mit den Damen seiner Familie?«
    »Ja. Das hintere Wohnzimmer war sowohl sein als auch unser Studierzimmer. Er saß am Fenster und wir am Tisch.«
    »Studierte er viel?«
    »Sehr viel.«
    »Was?«
    »Hindustani.«
    »Und was tatest du inzwischen?«
    »Anfangs lernte ich Deutsch.«
    »Lehrte er es dich?«
    »Er war des Deutschen nicht mächtig.«
    »Lehrte er dich gar nichts?«
    »Ein wenig Hindustani.«
    »Rivers lehrte dich Hindustani?«
    »Ja, Sir.«
    »Und seine Schwestern lehrte er ebenfalls Hindustani?«
    »Nein.«
    »Nur dich?«
    »Nur mich.«
    »Hast du ihn darum gebeten?«
    »Nein.«
    »So wünschte er, dich zu unterrichten?«
    »Ja.«
    Eine zweite Pause.
    »Weshalb wünschte er das? Welchen Nutzen sollte dir Hindustani bringen?«
    »Er wollte, dass ich mit ihm nach Indien gehe.«
    »Ah, jetzt komme ich endlich an die Wurzel des Ganzen. Er wollte, dass du seine Frau wirst?«
    »Er bat mich, ihn zu heiraten.«
    »Das ist eine Lüge – eine freche Erfindung, um mich zu ärgern!«
    »Ich bitte um Verzeihung, aber dies ist buchstäblich die Wahrheit. Er hat mir mehr als einen Heiratsantrag gemacht und war dabei ebenso hartnäckig, wie Sie es nur sein könnten.«
    »Miss Eyre, ich wiederhole es noch einmal: Sie können mich verlassen. Wie oft soll ich denn ein und dieselbe Sache noch wiederholen? Weshalb bleiben Sie so eigensinnig auf meinem Schoß sitzen, wenn ich Ihnen sage, dass Sie gehen sollen?«
    »Weil ich mich hier sehr wohl fühle.«
    »Nein, Jane, du fühlst dich hier nicht wohl, denn dein Herz weilt nicht bei mir – es weilt bei deinem Vetter, St. John Rivers! Oh, bis zu diesem Augenblick glaubte ich, dass meine kleine Jane nur mir allein gehörte! Selbst nachdem sie von mir geflohen war, glaubte ich noch, dass sie mich liebe – das war das einzige süße Körnchen in all der Bitterkeit. Wie lange wir auch getrennt gewesen waren, wie viele heiße Tränen ich auch über unsere Trennung geweint habe – niemals hätte ich geglaubt, dass sie einen anderen liebe, während ich um sie trauerte! Aber was nützt mein Jammer. Jane, verlasse mich! Geh hin und vermähle dich mit Rivers!«
    »Dann stoßen Sie mich fort, Sir – stoßen Sie mich fort! Aus eigenem Antrieb verlasse ich Sie nicht.«
    »Oh, Jane, wie liebe ich den Laut deiner Stimme noch! Er erweckt immer wieder Hoffnung in mir, er klingt so ehrlich und treu. Wenn ich ihn höre, trägt er mich ein ganzes Jahr in die Vergangenheit zurück, und ich vergesse, dass du neue Bande geknüpft hast. Aber ich bin kein Dummkopf … geh …«
    »Wohin soll ich gehen, Sir?«
    »Geh deinen eigenen Weg mit dem Gatten, den du dir erwählt hast.«
    »Und wer ist das?«
    »Du weißt es, St. John Rivers.«
    »Er ist nicht mein Gatte und wird es niemals werden. Er liebt mich nicht – ich liebe ihn nicht. Er liebt – so, wie er eben lieben
kann
, und das ist nicht zu vergleichen damit, wie
Sie
lieben können – ein schönes, junges Mädchen mit dem Namen Rosamond. Mich wollte er nur heiraten, weil er glaubte, dass ich mich sehr gut zur Gattin eines Missionars eignen würde – was er von Rosamond nicht erwarten konnte. Er ist gut und groß, aber streng. Und mir gegenüber ist er kalt wie ein Eisberg. Er ist nicht wie Sie, Sir; ich bin nicht glücklich an seiner Seite, noch in seiner Nähe, noch in seiner Gesellschaft. Er hat keine Nachsicht mit mir, keine Zärtlichkeit für mich. Er sieht nichts Anziehendes in mir, nicht einmal meine Jugend – nur einige nützliche, geistige Eigenschaften. Und nun soll ich Sie verlassen, Sir, um zu ihm zu gehen?«
    Unwillkürlich überlief mich ein Schauer, und ich klammerte mich instinktiv fester an meinen geliebten, blinden Gebieter. Er lächelte.
    »Was, Jane! Ist dies wahr?
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