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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
Autoren: Charlotte Brontë
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und ich habe ja wirklich etwas Aberglauben im Blut, hatte ihn stets –, aber es ist dennoch wahr. Wahr wenigstens ist, dass ich hörte, was ich dir jetzt erzähle.
    Als ich rief: ›Jane! Jane! Jane!‹, erwiderte eine Stimme – ich kann nicht sagen, woher sie kam, aber ich weiß, wessen Stimme es war – ›Ich komme, warte auf mich!‹, und gleich darauf trug der Wind mir noch die geflüsterten Worte zu: ›Wo bist du?‹
    Wenn ich es denn vermag, will ich dir den Gedanken, das Bild beschreiben, welches jene Worte vor meinem Gemüt entrollten; doch ist es schwer auszudrücken, was ich ausdrücken möchte. Wie du siehst, liegt Ferndean in einem dichten Wald begraben, wo jeder Schall dumpf ist und ohne Widerhall erstirbt. ›Wo bist du?‹ schien zwischen Bergen gesprochen, denn ich hörte, dass ein Bergecho die Worte wiederholte. Kühler und frischer schien der Wind in diesemAugenblick meine heiße Stirn zu umwehen; ich hätte mir beinahe einbilden können, dass Jane und ich uns an einem wilden, einsamen Ort wiederfanden. Unsere Seelen, glaube ich, müssen sich gefunden haben. Du, Janet, lagst zu jener Stunde ohne Zweifel in tiefem, unbewusstem Schlummer. Vielleicht entwand sich aber auch deine Seele ihrer Hülle und kam, um die meine zu trösten, denn es war deine Stimme – so wahr ich lebe – es war deine Stimme!«
    Mein Leser, es war am Montag gegen Mitternacht, als auch ich den geheimnisvollen Ruf vernahm; und es waren jene Worte, mit denen ich ihn beantwortet hatte. Ich horchte auf Mr. Rochesters Erzählung, aber ich machte ihm meinerseits keine Enthüllung. Das Zusammentreffen schien mir zu unerklärlich und Ehrfurcht gebietend, um darüber zu sprechen. Wenn ich irgendetwas erzählte, so wäre meine Erzählung notwendigerweise derart gewesen, dass sie einen tiefen Eindruck auf das Gemüt meines Zuhörers machen musste. Und dieses Gemüt, welches nach all seinen Leiden dem düsteren Nachdenken nur zu sehr unterworfen war, vertrug nicht auch noch den tiefen Schatten, den das Übernatürliche stets um sich verbreitet. Ich behielt diese Dinge also für mich und grübelte allein darüber nach.
    »Du wirst dich jetzt also nicht mehr wundern«, fuhr mein Gebieter fort, »dass es mir schwer wurde, dich für etwas anderes als eine Vision, eine bloße Stimme zu halten, als du so plötzlich gestern Abend vor mir standest. Ich meinte, du würdest wieder in Schweigen und in das Nichts zurücksinken, wie jenes mitternächtliche Flüstern und das Bergesecho. Jetzt danke ich Gott, ich weiß es besser! Ja, ich danke Gott von ganzem Herzen!«
    Er schob mich von seinem Schoß, erhob sich, nahm ehrerbietig den Hut vom Kopf und stand lange in stummer Andacht da, indem er seine blinden Augen zur Erde senkte. Nur die letzten Worte seines Gebetes waren hörbar:
    »Ich danke meinem Schöpfer, dass er inmitten der Strafedoch Gnade walten lässt. Ich bitte meinen Erlöser in aller Demut, dass er mir Kraft geben möge, von jetzt an ein besseres, reineres Leben zu führen als bisher!«
    Dann streckte er die Hand aus, dass ich ihn führe. Ich ergriff die teure Hand, presste sie einen Augenblick an meine Lippen und legte sie dann auf meine Schulter. Da ich viel kleiner war als er, diente ich ihm sowohl als Stütze wie als Führer. Wir gingen in den Wald hinein und wendeten uns heimwärts.

Achtunddreißigstes Kapitel
     
    Mein Leser, ich habe ihn geheiratet. Wir hatten eine stille Hochzeit; nur er und ich, der Geistliche und der Beamte waren anwesend. Als wir aus der Kirche zurückkamen, ging ich in die Küche des Herrenhauses hinunter, wo Mary das Mittagessen bereitete und John die Messer putzte, und sagte:
    »Mary, ich bin heute Morgen mit Mr. Rochester getraut worden.«
    Die Haushälterin und ihr Mann gehörten zu jener Sorte von bescheidenen und gleichmütigen Leuten, welchen man zu jeder Zeit eine merkwürdige, außergewöhnliche Nachricht mitteilen kann, ohne Gefahr zu laufen, dass ein schriller Aufschrei einem das Trommelfell zerreißt und man gleich darauf in einem Strom wortreichen Erstaunens ertränkt wird. Mary blickte auf und starrte mich an. Der Kochlöffel, mit dem sie ein paar junge Hühner, welche auf dem Feuer brieten, mit Fett begossen hatte, blieb eine ganze Weile schwebend in der Luft, und ebenso lange ruhte Johns Messer sich vom Poliertwerden aus. Aber dann sagte Mary nur, indem sie sich über den Braten beugte:
    »Wirklich, Miss? Das ist gut!«
    Kurze Zeit darauf fügte sie hinzu: »Ich sah Sie mit dem Herrn
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