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0209 - Die Panik kam per Telefon

0209 - Die Panik kam per Telefon

Titel: 0209 - Die Panik kam per Telefon
Autoren: Die Panik kam per Telefon
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Plötzlich blieben in Brundache alle Uhren stehen. Das Unglück kam schlagartig wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Nichts hatte die Katastrophe vorher angekündigt.
    Brundache liegt knapp zwei Autostunden südwestlich von New York. Es zählt nicht mehr als dreitausend Einwohner.
    An diesem Tage war ein Wetter, dass die Arbeiter in den Werkstätten und kleinen Fabriken des Städtchens mehr als einmal verstohlen auf die Uhr blickten und den Feierabend herbeiwünschten. Es war, als ob der Frühling sich an einem Tag verausgaben wollte.
    In Randy Millans Bar hockten zwei Männer an der Theke und tranken Whisky. Für Brundache war das ungewöhnlich. Erstens hatte niemand zu dieser Stunde schon die Zeit dafür, sich in eine Kneipe zu setzen und zweitens hielt man es für unschicklich. Wie in jeder Kleinstadt herrschten in Brundache strengere Sitten als in den großen Betonwüsten der Millionenstädte.
    Einer der beiden Männer mochte um die vierzig Jahre alt sein und hatte schon bedenklich gelichtetes Haar. Der andere Mann zählte höchstens zweiunddreißig Jahre und hatte das intelligentere Gesicht. Er war nur mittelgroß, aber sehr stämmig gebaut.
    Als der Uhrzeiger auf elf Uhr siebenundfünfzig vorrückte, hing schlagartig ein eigenartiges dumpfes Grollen in der Luft. Es steigerte sich innerhalb von vier Sekunden zu einem ohrenbetäubenden Brummen. Gleichzeitig begann der Boden der Bar zu wanken. Es sah unheimlich aus, wie der Fußboden sich plötzlich hob, Risse die Mauern und selbst die Decke durchzogen, Kalk und Mörtel herab rieselte, und die Fenster mit lautem Klirren barsten.
    Die beiden Männer auf den Barhockern ließen ihre Whiskygläser zu Boden fallen und erwischten eine Haltestange an der Theke, an der sie sich festklammerten.
    Vor draußen tönte das aufgeregte Läuten der beiden Kirchenglocken, die niemand zog und die dennoch schneller als je ihre Klöppel sausen ließen. Die Passanten auf den Straßen stießen entsetzte Schreie aus, flüchteten in die nächsten Häuser, und niemand wusste das rätselhafte, entsetzliche Ereignis zu deuten.
    Quer über den Marktplatz verlief ein Riss, der sich mit unheimlicher Macht immer weiter auseinanderzog, bis er die Breite einer kräftigen Hand erreicht hatte. Aus mehreren Rissen in den Straßen schossen Wasserfontänen aus den gebrochenen Leitungsrohren empor. In der Bond Street zischte unsichtbar Gas aus einem Riss in der Grundmauer eines zweistöckigen Mietshauses.
    Vier Blocks weiter explodierte die Gasmenge, die sich in einer kleinen Küche angesammelt hatte. Man hörte die Explosion meilenweit, und das Haus stürzte in sich zusammen. Es begrub vier Frauen und einen alten Rentner unter sich. Die erwachsenen Männer waren zur Arbeit, die Kinder in der Schule. Nur ihre Mütter raffte das Schicksal mit einem sinnlosen, grauenhaften Schlag hinweg.
    In vielen Straßen rissen die Telegrafenleitungen und ihre Enden schnellten wie angriffsbereite Schlangen durch die Luft. Zwei Masten stürzten um und drückten die Dächer einiger Autos ein.
    In der Midtown Bank löste sich die Alarmanlage von selbst aus. Die Bankangestellten wussten nicht, ob sie zum Feuerlöscher oder zur Pistole greifen sollten. Der Bankdirektor schrie immer wieder »Polizei«, in den Telefonhörer, ohne zu merken, dass die Leitung tot war. Bevor er es herausfand, kippte ein Stuhl um und die Bilder fielen von den Wänden.
    Auf dem Morgenthau Square kam plötzlich ein Haufen von sechzig Tonnen Koks ins Rutschen. Ein Arbeiter, der auf der Spitze des Haufens gestanden hatte, fiel aufs Gesicht und spürte, wie er von den Füßen her vom Koks begraben wurde. Er schrie in Todesangst um Hilfe, aber in dem furchtbaren Grollen, das die Luft erfüllte und das wie aus den Tiefen der Hölle selbst aufstieg, gingen seine Hilferufe unter.
    Das Ganze dauerte sieben Sekunden. Den Leuten in Brundache kam es wie sieben Ewigkeiten vor. Manche merkten es sofort, aber die meisten entdeckten erst viel später, dass alle Uhren der Stadt gleichzeitig um elf Uhr siebenundfünfzig stehen geblieben waren.
    Es war unmöglich, eine telefonische Verbindung mit dem kleinen Polizeirevier des Städtchens zu bekommen. Während die Sirenen der freiwilligen Feuerwehr schrillten, hockte Rack Bolster, der Chef der kleinen Polizeitruppe von Brundache, die ganze sechs Mann umfasste, mit schweißbedecktem Gesicht vor seinem Schreibtisch, über den sich eine breite Tintenlache ergossen hatte, und rief sich die Kehle heiser am Telefon.
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