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Intruder 4

Intruder 4

Titel: Intruder 4
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vierter Tag

    Die Luft über der sepiafarbenen Wüste flimmerte vor Hitze.
    Trotzdem war es kalt.
    Hier oben - vierzig oder fünfzig Meter über dem zerfurchten und mit Steintrümmern und Geröll bedeckten Boden - war der Wind schneidend, zugleich aber auch so trocken, dass er einem das letzte bisschen Feuchtigkeit aus dem Körper zu saugen schien. Weit im Westen, schon fast hinter der Krümmung des Horizonts, bewegte sich etwas mit derart hoher Geschwindigkeit, dass die dadurch erzeugte gewaltige Staubwolke trotz der enormen Entfernung noch mit bloßem Auge zu erkennen war.
    Es war zu schnell für eine der großen Büffelherden, die sich ohnehin nie so weit in die Wüste vorwagten und eher die saftigen Prärien des Ostens bevorzugten. Und es war auch ganz und gar untypisch für einen Reitertrupp.
    Vielleicht ein Staubsturm, vielleicht böse Geister, die gekommen waren, um ihre grausamen Spiele mit Mensch und Tier zu spielen. Der einsame Mann am Rande der Felsklippe erschauderte. Der Wind wurde zu einer Bö, die sich heulend an der scharfen, wie mit einem Messer gezogenen Kante vor seinen Füßen brach. Obwohl er einen hinlänglichen Abstand eingehalten hatte, um nicht dem Sog der Tiefe zu erliegen, wich er einen weiteren Schritt zurück.
    Als er sich umdrehte und den Blick seiner müde gewordenen Augen über das fast perfekte Rund der Mesa wandern ließ, gewahrte er nur roten Stein, der von tiefen Spalten und Rissen durchzogen war; Spuren des unbarmherzigen Wechsels zwischen grausamer Nachtkälte und unbarmherziger Sonne nglut, die den porösen Sandstein bersten ließ. Die einzige Bewegung kam von winzigen Staubteufeln, die der Wind ebenso schnell wieder zerriss, wie er sie erschaffen hatte.
    Dennoch war der Mann nicht alleine.

    4
    Etwas war hier; etwas Unsichtbares und Böses, das ihn belauerte und anstarrte und das so uralt und unbarmherzig wie dieses Land selbst war. Es wartete; vielleicht darauf, dass er einen Fehler machte, vie lleicht darauf, dass bereits gemachte Fehler endlich ihre grausamen Früchte trugen.
    Er wusste sogar, was dieses Etwas war.
    Es war das Ding aus dem Hogan, der Wendigo, jener, Der Mit Dem Wind geht und den er in dem beengten indianischen Zeremonienbau herausgefordert hatte - nur aus einer Laune und dem kindischen Bedürfnis heraus, sich vor seinen Freunden aufzuspielen. Was danach passiert war, hatte den Rahmen alles Vorstellbaren gesprengt.
    Es hatte bereits in Phoenix begonnen, direkt nach ihrer An-kunft in dem Motel, von dem aus ihre Motorradtour durch Arizona, Utah und Nevada starten sollte. Die Indianerfamilie mit dem merkwürdigen, wie geistig behindert wirkenden Kind, das sich über seine weiße Hose mit dem Kaffeefleck lustig gemacht hatte, war ihm, Mike, und seinen beiden Freunden Frank und Stefan seitdem gefolgt - und ihre ganzeTour war durcheinander geraten. Zuerst war sie nur durch mehrere kleinere Vorfälle überschattet worden, bevor sie sich dann gleich am ersten Abend in der Nähe des Grand Canyon zu einem wahren Albtraum gewandelt hatte.
    Nachdem sie ein noch nicht eröffnetes Touristenzentrum mit dem unheimlichen Hogan besucht hatten, war Mike voller Panik und schlechter Vorahnungen mit seiner Intruder Stefan und Frank hinterhe rgebraust, die ein Stück vorgefahren waren -
    als ihm plötzlich dieses geistig zurückgebliebene Indianerkind vor die Maschine gesprungen war. Er war wie verrückt in die Bremse gestiegen, aber er hatte keine Chance gehabt. Das Vorderrad hatte den Jungen erfasst und ein Stück weit durch die Luft geschleudert, bis er schließlich auf dem Boden aufgeschlagen und von dem Motorrad überrollt worden war.
    Er war sofort tot gewesen. Unter dem Eindruck des ersten 5
    Schocks hatte Mike seinen Freunden nur den Sturz gebeichtet, nicht aber den eigentlichen Grund dafür. Von Anfang an hatte er gewusst, dass er nichts Schlimmeres und Dümmeres tun konnte - aber da war ein innerer Zwang in ihm, der ihn seitdem unerbittlich vorwärts trieb, als habe er es auf seine eigene Vernichtung abgesehen.
    Nun, vielleicht hatte er das ja auch! Mike starrte hinaus in die Unendlichkeit der nur von riesigen Monolithen und bizarren Felsformationen unterbrochenen Landschaft aus porösem Sandstein, die es schon gegeben hatte, als die Anasazi ihre beeindruckenden Wohn- und Kultbauten in die zerklüftete Landschaft gesetzt hatten; aber er fand auch hier keine Antwort auf die Frage, was dort draußen auf ihn lauern mochte. Vielleicht war es schon immer da gewesen, schon
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