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Elkes Sommer im Sonnenhof

Elkes Sommer im Sonnenhof

Titel: Elkes Sommer im Sonnenhof
Autoren: Emma Gündel
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DIE ANKUNFT IM SONNENHOF
     
     
    Der Personenzug nach Lübeck fuhr aus der großen
Hamburger Bahnhofshalle langsam hinaus in den blanken Sonnenschein eines
Maimorgens.
    Der Zug war ziemlich leer. Es war mehrere Wochen
hindurch schlechtes Wetter gewesen, und wer nicht gerade reisen mußte, hatte
wohl erst besseres Wetter abwarten wollen. Das war nun über Nacht eingetreten,
und die Reisenden, die an den Fenstern standen, sahen sehr vergnügt aus.
    Auch Elke und Katje hatten frohe Gesichter. Sie
hatten bis eben ihre Köpfe aus dem Fenster gesteckt und mit ihren
Taschentüchern gewinkt. Sie waren allein im Abteil.
    »Haben wir ein Glück!“ Elke sank aufatmend auf
die Holzbank des Abteils für Reisende mit Hunden nieder. „Was, Ali?“ Damit
beugte sie sich zu ihrem jungen Drahthaarterrier, der auf der braunen Wolldecke
neben ihr auf der Bank saß, und strich ihm über den Rücken. „Ja, Ali, du weißt
es auch“, fuhr sie fort, „jeden Tag hat’s gegossen, den ganzen April hindurch.
Und ausgerechnet an dem Tag, wo wir losfahren, ist schönes Wetter!“
    Katje war am Fenster stehengeblieben. Sie sah
auf die grauen Straßenzeilen, die den Weg des Zuges noch immer begleiteten, so
glücklich verträumt hinaus, als wäre dort alle Herrlichkeit der Welt zu
erblicken.
    Ab und zu strich Katje sich mit fester Hand
einige ihrer widerspenstigen dunkelbraunen Haare aus der Stirn. Es sah fast so
aus, als wenn sie das nur täte, um zu fühlen, daß sie wirklich wach war und
nicht etwa träumte.
    Ja, wie ein schöner Traum war es, daß sie sich
mit Elke in der Eisenbahn befand und zum Sonnenhof reiste. Zum Sonnenhof, wo es
Pferde, Kühe, Lämmer, Wiesen und Kornfelder gab! Und wo sie den ganzen Sommer
über bleiben sollten!
    Sie war noch nie richtig verreist gewesen. All
das Schöne, das jetzt anfing, hatte sie ihrer Freundin Elke zu verdanken.
    „Du, Elke Katje wandte sich jetzt der Freundin
zu, um ihr wohl zum hundertsten Male auseinanderzusetzen, wie herrlich es sei,
daß sie zusammen verreisten.
    „Augenblick mal!“ wehrte Elke ab und fuhr in
einem Fahrplanbuch mit dem Zeigefinger die endlich aufgefundene richtige
Zahlenreihe hinunter. „Ich sehe gerade noch mal nach, wann wir ankommen. In
Kleinfeld neun Uhr zwölf —“
    Elke sah nach ihrer Armbanduhr. „Da müssen wir
jetzt essen“, sagte sie.
    „Essen?“ fragte Katje verwundert. „Es ist doch
nur eine kurze Fahrt.“
    „Einerlei! Ich hab’ mir einen Haufen Brot und
Eier und Apfelsinen mitgeben lassen. Wir müssen das aufessen!“
    Schon brachte Elke aus einer flachen weißen Pappschachtel
viele säuberlich eingewickelte Päckchen zum Vorschein.
    „Ich kann eigentlich gar nicht“, sagte sie dann,
seufzend den Vorrat betrachtend.
    Aber jemand anders schien zu können, und das war
Ali. Er hatte bis jetzt ruhig auf seiner Decke gesessen und an seinem buschigen
Schnauzbart entlang vor sich hingeguckt. Jetzt drehte er den Kopf, reckte den
Hals und zog mit tiefen Atemzügen den Duft einer mit Fleisch belegten
Brotschnitte ein. Dann begann er Elkes Arm mit seiner Vorderpfote zu
bearbeiten.
    „Ja, Ali, nur Geduld, du kriegst gleich was!“
beantwortete Elke die stumme, aber eindringliche Bitte.
    Einige Minuten später lag Ali mit dem Kopf
zwischen den Vorderpfoten da und leckte sich voll Wohlbehagen die Schnauze. Der
knusprige Karbonadenknochen, den er bekommen hatte, hatte großartig geschmeckt.
    Unsere kleinen Reisenden hatten Glück. Der Zug
hielt oft, aber an keiner Haltestelle stieg jemand zu ihnen ein.
    Ab und zu kam der Zugschaffner ins Abteil, aber
das tat er nur aus Freundlichkeit. Man hatte ihm die beiden ohne Begleitung
reisenden Kinder ans Herz gelegt.
    „Na, schmeckt’s?“ fragte der Mann jetzt, als er
Elke und Katje mit vollen Backen schmausen sah. „Ist recht! Stärkt euch nur für
die weite Fahrt! Wir sind ja auch erst in drei Viertelstunden in Kleinfeld!“
scherzte er.
    Elke nickte dem schmunzelnden Beamten vergnügt
zu. „Fahren macht hungrig! Außerdem ist womöglich der Wagen nicht am Bahnhof,
der uns abholen soll.“
    „Wo kommt der denn her?“ fragte der Schaffner
und setzte sich neben Ali auf die Bank.
    „Vom Sonnenhof“, antwortete Elke.
    „Dann ist der Wagen bestimmt da. Was vom
Sonnenhof kommt, das klappt. Die Wendels sind feine Leute, sie haben mehrere
Ziegeleien und sind in der ganzen Gegend gut angesehen“, erklärte der Beamte. „Geschwister
seid ihr nicht!“ fuhr er dann fort, indem er die beiden Mädchen
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