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Intruder 4

Intruder 4

Titel: Intruder 4
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Neuem und Grässlichem zu verbinden.
    Nimm etwas, weißer Mann, höhnte die Stimme des Wendigo.
    Iss. Du musst dich stärken. Du brauchst Kraft für die Reise. Sie wird vielleicht länger, als du ahnst.
    Mike hörte die Stimme direkt in seinem Kopf, die Lippen des uralten Mannes auf der anderen Seite der Theke bewegten sich nicht. Es war der groteske Mund des Horrorgesichtes in der Chromschale, der die Worte formulierte, und das war eindeutig mehr, als Mike ertragen konnte.
    Sein Entsetzen erreichte ein Ausmaß, das selbst die Magie des uralten Indianerdämons sprengte und die Zeit zwang, sich weiterzubewegen. Von einem Sekundenbruchteil auf den nächsten war Mike wieder im Restaurant, verwandelte sich der zweitausend Jahre alte Greis zurück in einen vierzehnjährigen Jungen und der Inhalt der Pfanne in das, was er immer gewesen war. Mike taumelte mit einem keuchenden, halb erstickten Laut zurück, der nur deshalb nicht zu einem gellenden Schrei wurde, weil sein Herz einen einzelnen, schweren Schlag tat, der in einer wahren Explosion aus Schmerz endete und ihm 13
    erneut den Atem verschlug.
    Dennoch war er laut genug, um Aufsehen zu erregen. Erneut senkte sich gespannte Stille über das Restaurant, diesmal in der Realität. Während Mike noch darum kämpfte, nicht vor Qual das Gesicht zu verziehen, konnte er fast körperlich spüren, wie sich mehr als hundert Gesichter in seine Richtung drehten.
    »Was ist los?«, fragte Frank erschrocken. Stefan sagte nichts, aber seine Mine verfinsterte sich noch weiter, und der Junge hinter der Theke wich hastig einen Schritt zurück. Er wirkte eindeutig verängstigt.
    »Nichts«, behauptete Mike. »Gar nichts.« Es klang kurza t-mig, was der Behauptung den letzten Rest von Glaubwürdig-keit nahm. So schnell und grausam der Schmerz gekommen war, so urplötzlich war er wieder verschwunden. Mikes Herz jedoch fühlte sich plötzlich so schwer und hart wie Stein an, und es klopfte wie rasend. Er hatte Mühe, zu atmen.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«
    Frank sah ihm nicht ins Gesicht, sondern blickte auf Mikes rechte Hand, die dieser instinktiv mit gespreizten Fingern gegen die Brust gepresst hatte, als wolle er sein rasendes Herz daran hindern, den Käfig seiner Rippen zu sprengen und hinauszuspringen.
    Mike ließ den Arm hastig sinken. »Es ist alles okay«, behauptete er. »Ich habe mich verschluckt, das ist alles.«
    Das war vermutlich die dümmste Ausrede aller nur denkbaren dummen Ausreden, aber diesmal kam ihm Stefan unfreiwillig zu Hilfe, indem er knurrte: »So viel zum Thema unauffälliges Benehmen.«
    »Stimmt«, antwortete Mike. »Es tut mir Leid. Lasst uns verschwinden, bevor wir wirklich auffallen.«
    »Wirklich?«, ächzte Stefan. »Du müsstest dich schon nackt ausziehen und einen Ind ianertanz aufführen, wenn du sicherge-hen wolltest, noch mehr Aufsehen zu erregen.«
    Statt zu antworten - was auch? Stefan hatte ja Recht, ve r-14
    dammt noch mal! -, drehte sich Mike auf dem Absatz um und stürmte aus dem Restaurant, als wolle er in Sachen Auffällig-keit noch eins draufsetzen. Draußen legte er ein halbes Dutzend Schritte in scharfem Tempo zurück und blieb erst stehen, als er die steile, direkt aus dem Felsen gehauene Treppe erreichte, die zum Parkplatz und den dahinter liegenden Bungalows der Motela nlage hinabführte.
    Für die krückstock- und gehhilfenbewaffnete Mehrzahl der Restaurantgäste gab es einen Aufzug, der auf der anderen Seite des Gebäudes nach unten führte.
    Als die drei Freunde angekommen waren, hatten sie diesen selbstverständlich mit Missachtung gestraft. Doch als Mike nun in den gut fünfzig Stufen tiefen Abgrund blickte, war er sich gar nicht mehr so sicher, ob er die Treppe, die er vorhin noch ohne Probleme hochgekommen war, nun noch würde hinab-steigen können. Zurückzugehen und den Aufzug zu benutzen hieße jedoch auch, noch einmal das Restaurant durchqueren zu müssen; nicht nur ein Spießrutenlauf zwischen hundert sab-bernden Greisen hindurch, sondern auch noch einmal vorbei an einem Büfett, an dem Spezialitäten ganz besonderer Art aufgetischt wurden. Lieber wäre er die Treppe hinunterge-sprungen, als das zu tun.
    Vielleicht brauchte er einfach nur einen Moment Ruhe.
    Das Geräusch der Tür hinter sich missachtend, das andeutete, dass Stefan und Frank ihm folgten, trat er an das brusthohe Geländer neben der Treppe, stützte sich schwer mit den Unterarmen darauf und schloss die Augen, um in sich hinein-zulauschen. Sein Herz klopfte
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