Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intruder 4

Intruder 4

Titel: Intruder 4
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
gewinnen. »Ich meine, ich bin hier nicht der Boss, oder?«
    »Aber du bist der Dritte im Bunde.«
    Frank nippte an seinem Orangensaft - ein Anblick, der Mike einen leisen Schauer über den Rücken laufen ließ (wie konnte man nur so früh am Tag scho n so entsetzlich gesund leben?) -
    und fuhr mit einem ange deuteten Grinsen fort: »Wir stimmen 8
    das ganz demokratisch ab.«
    Mike antwortete auch jetzt nicht sofort, sondern ließ seinen Blick rasch, aber sehr aufmerksam über die Frühstücksgäste gleiten.
    Der riesige, kantinenähnliche Saal war zu mehr als drei Vierteln gefüllt, und das Publikum entsprach genauso wenig seinem Geschmack wie dieses ganze Etablissement: aufgeta-kelte Matronen mit strassbesetzten Brillen und einem Zentimeter dicker Schminke im Gesicht sowie Männer mit Cowboy-stiefeln und Stetsons, deren bunt gemusterte Hemden sich über mühsam zugelegten Schmerbäuchen spannten.
    Das Durchschnittsalter hier drinnen musste mindestens sechzig Jahre betragen, und Mike meinte, unter dem allgegen-wärtigen Kaffee- und Pommes Frites-Aroma einen dezenten, aber irgendwie aufdringlichen süßlichen Geruch wahrzune hmen; jene Art von unangenehmem Geruch, den man manchmal trotz aller Hygiene- und Desinfektionsbemühungen in Alters-heimen und speziellen Kurkliniken findet. Ihn schauderte.
    »Kann es sein, dass du uns gar nicht zuhörst?«, fragte Stefan.
    »Doch«, antwortete Mike - was ihn nicht daran hinderte, sich weiter aufmerksam umzusehen. Er hatte keine Probleme mit alten Menschen - immerhin war er der Fünfzig mittlerweile näher als der Vierzig -, aber die drei Freunde fielen in dieser Gesellschaft auf wie die berühmten bunten Hunde. Andererseits fühlte er sich auf eine fast absurde Art sicher.
    Ein dreißigjähriger Indianer mit schulterlangem schwarzen Haar und einem rasiermesserscharfen Skalpiermesser im Gürtel hätte es schwer gehabt, sich hier unauffällig unters Publikum zu mischen. »Aber ich weiß es selbst nicht genau. Ich meine: Frank hat schon Recht. Jetzt die Nerven zu verlieren und in Panik auszubrechen, wäre das Dümmste, was wir tun könnten.
    Andererseits weiß ich nicht, ob ich den Nerv habe, einfach so zu tun, als wäre gar nichts passiert. Es ist ja mittlerweile nicht mehr nur der Unfall am Grand Canyon.«

    9
    »Ich glaube kaum, dass ...«, begann Stefan.
    »Ich«, mischte sich Frank ein, zwar keinen Deut lauter, aber in so scharfem Ton, dass Stefan verdutzt abbrach und ihn beinahe erschrocken ansah, »schlage vor, dass wir diese Diskussion draußen führen. Ich meine, wir können natürlich auch gleich einen Reporter von CNN kommen lassen oder den County-Sheriff einladen, wenn euch das lieber ist.«
    Wenn Frank tatsächlich befürchtete, dass jemand mithörte, dachte Mike (eine Sorge, die allerdings nicht ganz unbegründet war. Die Geriatrie-Liga an den Nebentischen warf ihnen schon die ganze Zeit über misstrauische und abschätzende Blicke zu, und Deutsch war schließlich in den USA keine ausgesprochen exotische Sprache), dann hätte er zumindest nicht das Wort
    »County-Sheriff« gebrauchen sollen. Dennoch nickte Mike und stand auf. Stefan zog eine Grimasse, die sich nicht genau deuten ließ, erhob sich aber ebenfalls, und gemeinsam wandten sie sich dem Ausgang zu.
    Auf dem Weg dorthin kamen sie an der überlangen Selbstbedienungs-Theke vorbei, an der sich jeder nach Belieben gütlich tun konnte, der seinen Zehn-Dollar-Obolus beim Eintritt in diese mit Plastik und nachgeahmtem Holz eingerichtete Geschmacklosigkeit entrichtet hatte.
    Als sie hereingekommen waren, hatten zwei junge Frauen dort Dienst getan und eifrig darüber gewacht, dass die unter einer langen Kette von Wärmelampen aufgereihten Chrom-schalen mit Essen niemals so leer wurden, dass man den Boden sehen konnte. Jetzt stand dort eine junge Frau und ein sehr junger Indianer. Fast noch ein Kind, nicht annähernd alt genug, um ein Skalpiermesser aus dem Gürtel zu ziehen oder gar seine Schwester oder seine Frau zu rufen, damit sie ihn, Mike, halb totprügeln konnten.
    Aber es war eindeutig ein Indianer, und das allein reichte, um Mike für einen Moment im Schritt innehalten zu lassen und ihn anzustarren. Vielleicht hätte er das besser nicht getan, denn im 10
    gleichen Moment ...
    ... begann das Gesicht des Indianers zu zerfließen.
    Der Anblick war so bizarr, dass Mike im allerersten Augenblick nicht einmal Angst verspürte. Die Züge des Jungen schienen jeden Halt zu verlieren, als hätten die Muskeln und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher