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1133 - Der Mönch mit den Totenaugen

1133 - Der Mönch mit den Totenaugen

Titel: 1133 - Der Mönch mit den Totenaugen
Autoren: Jason Dark
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Der Mönch lächelte scharf. Er wußte, was er vor hatte. Es war ihm klar, daß er sich damit versündigte. Aber er wußte auch, daß dies alles so menschlich war und er nicht mehr dagegen ankämpfen konnte. Es mußte einfach sein. Es war sein Weg. Davon konnte er einfach nicht abgehen. Nicht mehr.
    Er wußte nicht, ob die anderen etwas bemerkt hatten. Vielleicht, denn sie hatten ihre Augen ja überall. Da waren sie schlimm. Keine Mönche mehr, dafür eine Bande aus Spitzeln und Heuchlern. Und das in einer modernen Zeit.
    Aber dieser Orden war nicht modern. Er blühte mehr im geheimen. Es war viel verboten und nur wenig erlaubt.
    Nachdem der Mann wieder zu Atem gekommen war, richtete er sich auf. Jetzt konnte er über die Spitzen der Sträucher hinwegschauen und sah schon die Umrisse der kleinen Fischerhütte am Ufer des Sees.
    Noch war sie ihr Geheimnis, und er hoffte, daß dies auch noch lange blieb, obwohl Zweifel angebracht waren. Seine Brüder hatten etwas bemerkt. Sie hatten zwar nichts gesagt, doch ihre Blicke sprachen Bände, und Aslan hatte sich verdammt unwohl gefühlt. Er hätte im Kloster bleiben sollen.
    Aber der Drang des Bluts war stärker gewesen.
    Die Hütte war zu sehen. Aslan richtete sich auf und schaute hinüber. Er lief noch nicht hin, denn er wollte erst sicher sein, keine Verfolger zu haben.
    Allmählich gewöhnte er sich an die Stille. Auch sein Atem beruhigte sich. Auf der Haut spürte er ein Prickeln, als liefen kleine Perlen aus Eis darüber hinweg. Hinter den ritzenartigen Fenstern der Hütte schimmerte kein Licht, doch Aslan wußte, daß dieses kleine Gebäude nicht leerstand. Dort hielt sich jemand auf. Sie wartete immer und auch vor dem vereinbarten Treffpunkt.
    Das Plätschern der Wellen drang an seine Ohren, als das Wasser am Ufer auslief. Der weiche Wind bewegte die hohen Gräser am Ufer, und die warme Luft tat ihm gut.
    Die Sträucher gaben Aslan auch weiterhin Schutz. Er konnte in ihrer Deckung bis in die Nähe der Hütte gelangen. Von ihr führte ein schmaler Pfad in eine andere Richtung weg. Er endete erst an der schmalen Uferstraße, die auch von zahlreichen Spaziergängern benutzt wurde. In der Nacht ließ sich dort selten jemand blicken, und für die Hütte interessierte sich auch kaum jemand.
    Der Mond verlieh dem Sommerhimmel eine besondere Farbe: Grau, Schwarz und ein leichtes Gelb mischten sich ineinander. Dazwischen stand der volle Mond wie ein großes rundes Auge.
    Aslan blieb starr vor der Hütte stehen. Es war nicht sein erster Besuch hier, aber wie immer klopfte sein Herz übermäßig stark. Er hörte die Echos in seinem Kopf. Er war schrecklich aufgeregt, denn er tat etwas Verbotenes. Genau das reizte ihn. Er kam gegen seine menschliche Natur nicht an. Er wollte es, und die Person, die in der Hütte auf ihn wartete, wollte es auch.
    Er kannte nicht einmal ihren Namen. Er hatte sie gesehen, getroffen, wieder gesehen, und da war es um ihn geschehen. Stets zur gleichen Zeit hatte sie an einer bestimmten Stelle an der Straße gestanden, wie abgesprochen.
    Erst hatte sie nur gelächelt, wenn sie ihre wilden Feldblumen und auch Früchte verkaufte. Dann hatte sie Aslan angesprochen. Er hatte, immer etwas gekauft von seinem wenigen Geld, und er war immer länger bei ihr geblieben.
    Offen hatte sie ihm ihre Sympathie gezeigt und ihm zuerst durch ihr Verhalten und ihre Gesten erklärt, daß sie mehr von ihm wollte als einfach nur reden.
    Aslan hatte es verstanden. Sie hatten sich dann in der Hütte mitten in der Nacht verabredet. Aslan hatte sich aus dem Kloster gestohlen, was nicht schwierig gewesen war, und so hatten sie dann ihre Treffen wiederholt.
    Aslan überlegte. Jetzt trafen sie sich zum sechsten Mal. Beim letzten Mal hatte er sie nach dem Namen gefragt, und sie hatte geantwortet: »Nenn mich Sommerhexe. Oder Sommerwind. Das überlasse ich dir, denn ich werde wie der Sommer sein. Heiß, intensiv, und dann bin ich weg.«
    »Weg?«
    »Daran darfst du jetzt nicht denken.«
    Das war leichter gesagt, als getan, denn Aslan mußte immer daran denken. Er wollte einfach nicht, daß der Zauber zerbrach, doch nun war bereits August und die Zeit des Hochsommers. Da war der Sprung in den Herbst nicht mehr weit.
    Aslan stand vor der Tür und erwachte wie aus einem tiefen Traum. Wie immer mußte er sich erst ein Herz fassen, um gegen die Außenwand der Hütte zu klopfen. Dreimal kurz, dann eine Pause, danach wieder dreimal kurz. Das war ihr Zeichen.
    In dieser Nacht war alles
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