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Das Hexenrätsel

Das Hexenrätsel

Titel: Das Hexenrätsel
Autoren: Jason Dark
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Während die Soldaten auf den Wehrtürmen das heiße, flüssige Pech den über Leitern hochkletternden Eroberern entgegenkippten, lag der alte Hexenmeister im Sterben.
    Sein Atem ging schwer und röchelnd. Der Sensenmann hielt bereits unsichtbar seine knöcherne Klaue über dem Kopf des Sterbenden. Keiner sah ihn, ein jeder wußte jedoch, daß auch der Hexenmeister keine Chance besaß.
    Die beiden Adepten, die sein Sterben beobachteten, zuckten hin und wieder zusammen, wenn sie das Donnern der Kanonen hörten. Man wehrte sich gegen die Angreifer und war auch guten Mutes. Diese Burg hatte den Stürmen und Angriffen über Jahrhunderte hinweg getrotzt. Sie würde es auch diesmal schaffen.
    Nur der Hexenmeister starb…
    Er lag in dem breiten Bett mit dem Stoffdach darüber wie eine verlorene Person. Sein einst so hartes, beinahe knotiges Gesicht war eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen, die Haut glich dem Laken, obwohl sie noch immer einen dunkelbraunen Schimmer besaß. Schweiß lag auf der Stirn des Sterbenden. Hin und wieder nahm einer der beiden Adepten ein Tuch und tupfte die glänzenden Perlen weg. Durch die beiden Fenster in den dicken Turmmauern fiel nur wenig Licht, das Sterbezimmer war in ein Halbdunkel getaucht. In einer Ecke brannte eine Kerze.
    Ihr Schein fiel auf die nackte Wand. Sie erhellte kein christliches Symbol, denn nach den Lehren der Kirche hatte der alte Hexenmeister nie gelebt. Für ihn hatte es immer nur die Vernichtung gegeben, seitdem er das geheimnisvolle Erbe angetreten hatte.
    »Möchtest du etwas trinken, Herr?« wurde er gefragt.
    »Nein, ich brauche nichts.« Die Antwort glich einem Röcheln.
    »Wir haben frisches Wasser aus dem Brunnen geholt. Das haben die Feinde nicht vergiften können.«
    »Ich will es aber nicht.«
    »Es ist gut, Herr. Hast du sonst noch einen Wunsch?«
    Die Augen des Hexenmeisters zuckten. »Einen Wunsch?« hauchte er. »Ja, ich habe einen Wunsch. Sogar zwei!« Er sprach mit einer leisen Stimme, hin und wieder von einem kurzen Husten oder Röcheln unterbrochen. »Ich möchte die Truhe haben.«
    Seine Diener erschraken. Es waren ebenfalls alte Männer mit langen Barten.
    »Das ist der Sarg!«
    »Ich weiß es.«
    »Aber du bist noch nicht…«
    Mit einer matten Geste hob der Hexenmeister seine rechte Hand. Die Finger waren gekrümmt, als würde in ihnen die Gicht lauern. »Ich weiß genau, daß ich sterben werde. Meine Chance ist einfach zu klein. Der Tod war schon immer ein guter Partner, auf den sich der Mensch verlassen konnte. Als einziger hat er sein Versprechen gehalten. Egal, wer es ist, ob reich, ob arm, er wird immer zur Stelle sein und jeden holen. Jedermann kommt an die Reihe. Jedermann…«
    Die beiden Adepten hörten die Worte des Hexenmeisters und wurden noch bleicher, als sie ohnehin schon waren. Sie schauten sich an, zögerten jedoch, den Auftrag ihres Meisters auszuführen.
    »Geht schon«, sagte dieser. »Los, beeilt euch…!«
    »Ja, Meister, ja…«
    Als die beiden verschwunden waren, atmete der Sterbende röchelnd aus und spie blutigen Schaum. Er lachte krächzend, als er das Blut sah. An Blut war er gewöhnt, jahrelang hatte er es fließen sehen und fließen lassen. Sein Traum war es schon immer gewesen, einmal in einem Meer von Blut zu waten, auf deren Oberfläche die Köpfe der Hexen schwammen, die auf den Stangen keinen Platz mehr gefunden hatten. Der alte Hexenmeister hatte sich diesen Traum nicht erfüllen können, aber er hatte sich einen anderen erfüllt.
    Man sagte ihm nach, daß er mehr als 1000 Hexen getötet hatte. Außer denjenigen, die er hatte töten lassen. Das waren auch doppelt so viele gewesen.
    Man hatte ihn gehaßt, bewundert und gefürchtet. Manchmal war er mächtiger als ein Kirchenfürst gewesen, dann wieder zitterte der Adel vor ihm. Doch wer es auch im Endeffekt gewesen war, Angst hatten sie alle vor ihm.
    Er war grausam, er kannte keine Gnade, aber auch sein Leben ging zu Ende. Nur wollte er das mitnehmen, was für ihn so wertvoll gewesen war.
    Das Schlangenschwert!
    Ein Hustenanfall schüttelte ihn. Der magere Körper wurde in die Höhe geworfen. Während er hustete, drückte er seinen Rücken durch, die schneeweißen, halblangen Haare begannen zu zittern. Er krampfte seine Finger noch fester um das weiße Laken, das seinen mageren Körper bedeckte.
    Wieder sprühte schaumiges Blut vor seinen Lippen. Die Augen hatten ihren Glanz verloren, und die Haut auf seinem Gesicht fiel stärker den Knochen entgegen,
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