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Intensity

Intensity

Titel: Intensity
Autoren: Dean R. Koontz
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Monate, nachdem sie das Mädchen aus dem Puppenkeller befreit hatte, verließ sie Sacramento mit Ariel an ihrer Seite.
    Sie fuhren nach Hause, zum Apartment in San Francisco.
    Chyna beendete ihr Psychologiestudium nicht, obwohl sie so kurz vor der Magisterprüfung gestanden hatte. Sie studierte weiterhin an der University of California in San Francisco, nahm aber Literatur als Hauptfach. Sie hatte schon immer gern gelesen, und obwohl sie nicht der Ansicht war, Talent zum Schreiben zu haben, glaubte sie, es werde ihr Freude machen, eines Tages als Lektorin mit Autoren zu arbeiten. In der Literatur war mehr Wahrheit als in der Wissenschaft. Sie konnte sich auch ein Dasein als Lehrerin vorstellen. Und es war auch in Ordnung, den Rest ihres Lebens als Kellnerin zu verbringen, denn sie war gut in diesem Job und war nicht der Ansicht, daß er unter ihrer Würde war.
    Als Chyna im folgenden Sommer in der Abendschicht arbeitete, verbrachten sie und Ariel viele Vor- und Frühnachmittage am Strand. Das Mädchen schaute gern hinter dunklen Sonnenbrillengläsern auf die Bucht hinaus, und manchmal konnte man es auch dazu bringen, im Wasser zu stehen, während die Brandung sich an seinen Knöcheln brach.
    Eines Tages im Juni schrieb Chyna, ohne so richtig mitzubekommen, was sie tat, mit dem Zeigefinger ein Wort in den Sand: PEACE. Sie sah es eine Minute lang an, dann ging ihr ein Licht auf, und sie sagte zu Ariel: »Das ist ein Wort, das man aus den Buchstaben meines Namens bilden kann.«
    Am ersten Juli wollte Chyna eigentlich Zeitung lesen, während Ariel auf ihrer Decke saß und auf das Wasser hinausschaute, auf dem die Sonne funkelte, doch alle Meldungen bereiteten ihr Kummer. Krieg, Vergewaltigung, Mord, Raub, Politiker jeder Couleur versprühten Haß. Sie las eine Filmkritik voller böswilliger Behauptungen, die den Regisseur und den Drehbuchautor kritisierten, ihr Recht in Frage stellten, überhaupt schöpferisch tätig zu sein, und wandte sich dann dem genauso ätzenden Angriff einer Kolumnistin auf einen Romanautor zu. Nichts davon war echte Kritik, alles nur Gehässigkeit, und sie warf die Zeitung in den Mülleimer. Sie hatte den Eindruck, daß diese kleinen haßerfüllten Tiraden und indirekten Angriffe unangenehm klare Spiegelungen stärkerer gemeingefährlicher Impulse waren, die den menschlichen Geist infizierten; symbolische Morde, die sich nur graduell von richtigen Morden unterschieden; die Krankheit im Herz der Angreifer war dieselbe.
    Es gibt keine Erklärungen für das menschliche Böse. Nur Entschuldigungen.
    Ebenfalls Anfang Juli fiel ihr ein Mann von etwa dreißig Jahren auf, der an ein paar Vormittagen in der Woche mit seinem achtjährigen Sohn und einem Laptop an den Strand kam, wo er im tiefen Schatten eines Sonnenschirms arbeitete. Schließlich ergab sich ein Gespräch. Der Name des Vaters war Ned Barnes, und sein Junge hieß Jamie. Ned war Witwer und – ausgerechnet – freiberuflicher Schriftsteller, der mehrere einigermaßen erfolgreiche Romane veröffentlicht hatte. Jamie verknallte sich in Ariel und schenkte ihr Dinge, die er für etwas Besonderes hielt – eine Handvoll Wildblumen, eine interessante Muschel, ein Bild von einem lustig aussehenden Hund, das er aus einer Zeitschrift gerissen hatte – und legte sie neben ihr auf die Decke, ohne zu verlangen, daß sie sie beachtete.
    Am zwölften August lud Chyna Ned und seinen Sohn zu einem Spaghetti-Essen in ihre Wohnung ein. Später spielten sie und Ned Go Fish und andere Spiele mit Jamie, während Ariel dasaß und ruhig ihre Hände betrachtete. Seit der Nacht in dem Wohnmobil hatte sich dieser schrecklich gequälte Ausdruck nicht mehr auf das Gesicht des Mädchens gelegt, und sie schrie auch nicht mehr und zog nicht mehr die Knie hoch, um nervös zu schaukeln.
    Später im August gingen die vier gemeinsam ins Kino, und sie trafen sich auch weiterhin am Strand, wo sie Plätze nebeneinander mieteten. Ihre Beziehung war sehr entspannt, und niemand übte Druck aus oder stellte Ansprüche. Keiner von ihnen wollte mehr, als etwas weniger allein zu sein.
    Im September, kurz nach dem Labor Day, als es nicht mehr viele weitere Tage geben würde, an denen man an den Strand gehen konnte, schaute Ned nebenan von seinem Laptop auf und sagte: »Chyna.«
    Sie las gerade ein Buch und erwiderte lediglich »Hmm«, ohne den Blick von der Seite zu nehmen.
    »Sieh mal«, beharrte er. »Sieh dir Ariel an.«
    Da der Tag bereits eine Spur zu kalt zum Sonnenbaden war, trug
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