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Intensity

Intensity

Titel: Intensity
Autoren: Dean R. Koontz
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Tode gequält worden, mit denen Mrs. Delane als Hobby Puppen herstellte. Und es gab Grund zu der Annahme, daß Ariel gezwungen worden war, dabei zuzusehen, bevor Vess sie entführt hatte.
    Außer Polizisten sah Chyna zahlreiche Ärzte. Abgesehen von der unbedingt erforderlichen Behandlung ihrer körperlichen Verletzungen drängte man sie mehr als einmal, mit einem Psychiater über ihre Erlebnisse zu sprechen. Am beharrlichsten in dieser Hinsicht war ein freundlicher Mann namens Dr. Kevin Lofglun, ein jungenhafter Fünfzigjähriger mit einem musikalischen Lachen und der nervösen Angewohnheit, an seinem rechten Ohrläppchen zu zupfen, bis es kirschrot war. »Ich brauche keine Therapie«, sagte sie zu ihm, »denn das Leben ist Therapie.« Das verstand er nicht ganz, und er wollte, daß sie ihm von ihrem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Mutter erzählte, obwohl sie vor mindestens zehn Jahren mit dieser Abhängigkeit Schluß gemacht hatte, als sie sich absetzte. Er wollte ihr helfen zu lernen, mit Trauer fertig zu werden, aber sie sagte zu ihm: »Ich will nicht lernen, mit ihr fertig zu werden, Doktor Lofglun. Ich will sie fühlen .« Wenn er von einem posttraumatischen Streßsyndrom sprach, sprach sie von Hoffnung; wenn er von Selbsterfüllung sprach, sprach sie von Verantwortung; wenn er von Mechanismen zur Verbesserung des Selbstwertgefühls sprach, sprach sie von Glauben und Vertrauen; und nach einer Weile schien er einzusehen, daß er nichts für jemanden tun konnte, der eine so gänzlich andere Sprache sprach als er.
    Die Ärzte und Schwestern machten sich Sorgen, daß sie vielleicht nicht schlafen konnte, aber sie schlief tief und fest. Sie waren überzeugt, daß sie Alpträume haben würde, aber sie träumte nur von einem kathedralenähnlichen Wald, in dem sie niemals allein und immer in Sicherheit war.
    Am elften April, lediglich zwölf Tage, nachdem sie ins Krankenhaus eingewiesen worden war, wurde sie entlassen, und als sie zur Tür hinausging, warteten über einhundert Reporter von Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern auf sie, darunter auch die jener Boulevardblätter, die ihr durch Federal Express Verträge geschickt und hohe Summen geboten hatten, damit sie ihnen ihre Geschichte erzählte. Sie bahnte sich den Weg durch die Menge, ohne eine der gerufenen Fragen zu beantworten, aber auch, ohne ausfallend zu werden. Als sie das Taxi erreichte, das auf sie wartete, stieß einer der Reporter ihr ein Mikrofon vors Gesicht und fragte dümmlich: »Miß Shepherd, wie fühlt man sich, wenn man eine so berühmte Heldin ist?« Da blieb sie stehen, drehte sich um und sagte: »Ich bin keine Heldin. Ich schlage mich nur so durch, wie Sie alle, und frage mich, warum es manchmal so schwer ist, und hoffe, daß ich nie wieder jemanden verletzen muß.« Diejenigen, die in ihrer Nähe standen und ihre Worte gehört hatten, verstummten. Sie stieg in das Taxi und fuhr davon.
    Die Familie Delane hatte eine hohe Hypothek abtragen müssen und war dem leichten Kredit von Visa- und MasterCard verfallen, bevor Edgler Vess sie von ihren Schulden befreit hatte, und so gab es keinen Besitz, den Ariel erben konnte. Ihre Großeltern väterlicherseits lebten zwar noch, waren aber bei schlechter Gesundheit und verfügten nur über begrenzte Geldmittel.
    Auch wenn es Verwandte gegeben hätte, welche die finanziellen Möglichkeiten hatten, die Last auf sich zu nehmen – der Aufgabe, ein junges Mädchen mit Ariels einzigartigen Problemen großzuziehen, hätten sie sich nicht gewachsen gefühlt. Das Mädchen wurde unter Amtsvormundschaft gestellt und in die Obhut einer vom Staat Kalifornien betriebenen psychiatrischen Klinik gegeben.
    Kein Familienmitglied erhob Einwände.
    In diesem Sommer und Herbst fuhr Chyna einmal in der Woche von San Francisco nach Sacramento, stellte beim Gericht den Antrag, zu Ariel Beth Delanes einzigem rechtmäßigen Vormund ernannt zu werden, besuchte das Mädchen und arbeitete sich geduldig – manche behaupteten, starrsinnig – durch das undurchschaubare Labyrinth der Justiz und des Sozialsystems. Andernfalls wäre das Mädchen zu einem Leben in Anstalten verdammt worden, die man »Pflegeheime« nannte.
    Obwohl Chyna sich wirklich nicht als Heldin sah, sahen viele andere sie so. Die Bewunderung, die gewisse einflußreiche Leute ihr entgegenbrachten, war letztlich der Schlüssel, der das bürokratische Herz aufschloß und ihr die Vormundschaft einbrachte, die sie haben wollte. Eines Morgens im Januar, zehn
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