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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind
Autoren: Elena Santiago
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weiter landeinwärts, in einer Spelunke namens Süße Hölle, wo sie sich mit ihren Mädchen verkrochen hatte. Vivienne hatte ein blaues Auge und Clotilde eine Platzwunde am Jochbein davongetragen, aber ansonsten waren alle wohlauf und wurden wie üblich von dem stoisch dreinblickenden Jacques bewacht. Der Hüne hatte alle Hände voll zu tun, den Französinnen die Männer vom Hals zu halten. Duncan zweifelte nicht daran, dass schon bald ein neues Chez Claire – besser, größer und reicher ausgestattet – unter ihren Kunden für Furore sorgen würde.
    » Du bist ja immer noch hier, mon ami«, sagte Claire mit hochgezogenen Brauen. » Wolltest du nicht schon längst über alle Berge sein?«
    » Nicht ohne das Pferd meiner zukünftigen Frau«, meinte Duncan gelassen. » Und dann wäre da noch die Kiste, auf der du sitzt. Ich rechne dir hoch an, dass du nicht versucht hast, sie aufzubrechen.«
    » Ah, ich weiß zwar nicht, woher du diese Gewissheit nimmst, aber ich liebe dich dafür.« Mit sphinxhaftem Lächeln händigte sie ihm die Truhe mit dem Gold aus, Elizabeths Mitgift, ein enormer Batzen, auf den zu verzichten ihm schwergefallen wäre. Duncan bedankte sich und ging pfeifend davon. Der rechte Arm tat ihm weh, doch wen scherte das, wenn er doch unter dem linken ein Vermögen trug!
    Der Stall, in dem sie Pearl untergebracht hatten, war zum Glück heil geblieben, und das Pferd war wohlauf, was Elizabeth vermutlich noch froher stimmen würde als das Gold. Duncan ließ vom Rossknecht die Stute satteln und saß auf. Um ihn herum hatten sich die Menschen trotz des Regens ans Aufräumen gemacht. Vor ihnen lagen ein paar Wochen Arbeit, so viel war sicher, aber es stand auch fest, dass dieser Sturm nicht einer der wirklich schlimmen gewesen war. In diesem Fall wäre an der gesamten Küste kein Stein mehr auf dem anderen geblieben, und es hätte Hunderte oder gar Tausende Tote gegeben, wie bei dem Hurrikan sechs Jahre zuvor auf Kuba. Von den Schiffen im Hafen ganz zu schweigen: Bei den beiden Hurrikans etwa, die vor neun und zehn Jahren über Hispaniola gewütet hatten, waren mehrere Dutzend Schiffe zerschmettert worden und gesunken.
    Duncan hatte sich bereits davon überzeugt, dass die Elise bei dem nächtlichen Sturm glimpflich davongekommen war. Es waren nur ein paar kleinere Reparaturen nötig, und die konnte er auf See vornehmen lassen. Er hatte nicht vor, länger als nötig auf Barbados zu bleiben, sondern wollte möglichst noch an diesem Tag in See stechen. Der Weg für ihn war frei, nachdem er seinen Teil der Vereinbarung erfüllt und dem Admiral die unbehelligte Landung ermöglicht hatte. Duncan ritt zur Kirche zurück. Die Frauen und der Kleine hatten im angrenzenden Pfarrhaus Unterschlupf gefunden, was Duncan ein hartes Stück Überzeugungsarbeit gekostet hatte, nachdem der im Garten liegende tote Dunmore nicht gerade Vertrauen fördernd auf Reverend Martin gewirkt hatte.
    Der Regen peitschte unablässig hernieder, während Duncan sich der Kirche näherte. Er triefte vor Nässe, doch das störte ihn kaum, genauso wenig wie der schmerzende Arm. Stille Zufriedenheit erfüllte ihn, als er an die bevorstehende Reise mit Elizabeth und seinem Sohn dachte, und auch, was die Zukunft betraf, machte er sich einige Hoffnungen. Wenn die Admiralität auch nur einen Teil ihrer Versprechungen hielt, würde er bald beginnen können, mit Unterstützung des Parlaments eine ordentliche Handelsflotte auszurüsten. Barbados war bloß der Anfang, denn in der Karibik gab es noch andere Ziele, die mindestens ebenso lohnend waren, sobald die Spanier erst überall vertrieben waren.
    Ein Fuhrwerk kam rumpelnd näher, die Räder quälten sich durch tiefen Schlamm. Auf dem Kutschbock sah Duncan zu seiner Verblüffung George Penn sitzen. Der vormals so auf die Kriegsführung erpichte Offizier hatte sich in einen vom Regen durchweichten, niedergeschlagenen Mann verwandelt, der seine besten Jahre hinter sich hatte. Auf der Ladefläche saß, an einen Stapel Säcke gelehnt, ein Mann, der in eine Decke gewickelt war und den Hut tief ins Gesicht gezogen hatte. Duncan ritt näher heran.
    » Da soll mich doch einer«, sagte er ungläubig. » Seid Ihr das etwa, Noringham?«
    William nahm den Hut ab. Er war kreidebleich und offensichtlich verletzt, was unschwer an seiner verkrampften Haltung und der schmerzverzerrten Miene zu erkennen war. Doch während der Regen ihm über das Gesicht strömte, rang er sich ein mühseliges Lächeln ab.
    » Master
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