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Schnellkurs in Sachen Liebe

Schnellkurs in Sachen Liebe

Titel: Schnellkurs in Sachen Liebe
Autoren: Kelly Hunter
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1. KAPITEL
    Schüchternheit ließ sich nicht in absoluten Zahlen messen, sondern allenfalls in relativen. Und genau darin lag das Problem. Als zweitjüngstes der vier West-Kinder hatte Poppy nie mit ihren Geschwistern mithalten können, was Selbstbewusstsein und Mut anbelangte. Das hieß nicht, dass sie ein verschrecktes Mäuschen war. Oder mit dem Leben nicht klarkam – sie las nur lieber ein Buch als sich an einem Bungee-Seil in die Tiefe zu stürzen. Daran war nichts Falsches.
    Manch einer würde es sogar als vernünftig bezeichnen.
    Natürlich gab es auch diejenigen, die sie für zu schüchtern hielten und glaubten, dass sie weniger arbeiten und mehr unter Leute gehen und neue Freundschaften schließen solle. Als ob ihr – zugegebenermaßen – kleiner Freundeskreis nicht genug wäre. Und als ob neue Freunde einfach so an die Tür klopfen würden.
    Tomas war ein Freund. Und als Kryptologe, Mathematiker und Co-Projektmanager strotzte Tomas nur so vor Selbstvertrauen. Er besaß davon genug für sie beide, und er verstand die Sprache, die Poppy am besten beherrschte. Nämlich Codes.
    Tomas hatte ihr auch angeboten, seine Privatinsel zu nutzen, um dort ein paar Codes zu knacken. Er hatte nur ganz wenige Fragen gestellt und als Gegenleistung lediglich einen kleinen Gefallen verlangt.
    Was wirklich sehr nett von ihm ist, sagte sie sich immer wieder, als sie an Bord des Fischerbootes Marlin III trat und den Skipper höflich um eine Schwimmweste bat.
    Sehr, sehr nett von ihm.
    Und so war sie jetzt hier, zurück in Australien, ihrem Heimatland. Lediglich eine Bootsfahrt über den offenen Pazifik trennte Poppy noch von ihrem Ziel.
    Sie zog ihre Windjacke aus, streifte die Schwimmweste über und schlüpfte dann wieder in die Jacke. Dass sich der Skipper offensichtlich darüber amüsierte, war ihr egal. Der Ozean war nicht ihr Freund. Sie standen kurz davor, ihn zu überqueren. Ein paar Vorsichtsmaßnahmen konnten nicht schaden.
    Sonnenschein. Blauer Himmel. Ruhige See. Ein großes, glänzendes Boot, das vom besten Skipper gesteuert wurde, den der Hafen von Cairns zu bieten hatte. Noch dazu war das Boot mit neuestem GPS- und Radarsystem ausgestattet.
    Insofern hatte die Reise gut begonnen, doch schnell zogen Wolken am Himmel auf und Wind blies ihnen entgegen. Er machte die Fahrt länger, rauer und insgesamt unangenehmer.
    Nicht, dass Skipper Marc sich daran zu stören schien. Der schlaksige Fischer mit den blauen Augen verkündete, es sei ein hervorragender Tag für eine Bootsfahrt. Er müsse es wissen, denn schließlich würde er seit zwanzig Jahren den Fischereizweig des familieneigenen Charter-Boot-Unternehmens leiten. Die einzige Sorge, die Captain Marc hatte, war ihr Ziel.
    „Seb weiß, dass Sie kommen, oder?“, fragte er zum tausendsten Mal.
    „Ja“, antwortete Poppy ebenfalls zum tausendsten Mal. „Er weiß es.“
    „Weil ich ihn über Funk nämlich nicht erreichen kann.“
    „Ich weiß.“ Marc hatte während der vergangenen Stunde alle zehn Minuten versucht, Sebastian Reyne zu kontaktieren. Das ist eine wunderbare Art, mich zu beruhigen, Marc.
    Der Skipper hatte eine halbe Stunde Fahrt gebraucht, ehe er kapierte, dass Poppy unter wachsender Angst litt.
    „Haben Sie Probleme mit Seb?“, fragte er und warf ihr einen scharfen Blick zu, während sie sich so dicht hinter ihn drängte wie möglich, ohne seine Intimsphäre zu verletzen.
    „Noch nicht“, entgegnete sie. „Zumindest nicht, dass ich wüsste. Schauen Sie, es gibt doch Menschen, die Angst vor großen Höhen haben. Ich habe Angst vor offenem Wasser. Ich blicke auf den Ozean und sehe unendliche Tiefen. Normalerweise betrete ich kein Schiff – nicht, wenn ich es vermeiden kann. Unglücklicherweise ist es die einzige Möglichkeit, auf die Insel zu gelangen.“
    „Hätte Seb nicht zu Ihnen kommen können?“, erwiderte der Skipper, worauf Poppy den Mann trotz ihrer Angst anlächelte und noch ein Stückchen näher an ihn heranrückte.
    „Ich fahre nicht dorthin, um Seb zu besuchen. Ich kenne den Mann nicht mal.“
    Danach war Poppy in Schweigen verfallen, und Marc hatte sie angewiesen, sich auf den Platz neben ihm zu setzen und ihnen beiden einen Becher Kaffee aus der Thermoskanne einzuschenken. Er hatte Zuckerwürfel dabei und fragte nicht mal, wie Poppy den Kaffee trank. Stattdessen ließ er einfach drei Würfel in ihren Becher fallen und befahl ihr, ihn auszutrinken.
    Er versuchte, ein Gespräch anzufangen, doch sie war äußerst wortkarg.
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