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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind
Autoren: Elena Santiago
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bereits ahnen. Als sie in die Kirche zurückkamen, legte Duncan unbeholfen den gesunden Arm um Elizabeth.
    » Mein Liebes, das hast du gut gemacht! Aber wo, bei allen Teufeln, hattest du die verdammte Pistole stecken? Doch bestimmt nicht in diesem dünnen Strumpfband!«
    Elizabeth griff an ihr Mieder und zupfte es zurecht, nun konnte sie entschieden freier atmen. Dafür zitterten ihr die Knie, sie musste sich an Duncan festhalten, weil sie sonst zusammengebrochen wäre.
    » Vielleicht verrate ich es dir eines Tages.«
    Dann ging sie zum Kirchentor, um es zu schließen. Draußen hatte der Wind wieder angefangen zu heulen, und wenig später erhob er sich zu ohrenbetäubendem Brausen. Zusammen mit den anderen setzte sie sich auf die Bank und machte es sich leidlich bequem. Irgendwann erlosch die Kerze, doch das spielte keine Rolle mehr. Duncan hatte den Arm um Elizabeth geschlungen, und ihr Kopf lag an seiner Schulter. Das Kind hatten sie zwischen sich, es war wieder eingeschlafen.
    » Ob morgen der Krieg weitergeht?«, murmelte Elizabeth.
    » Ich wünschte, ich wüsste es«, gab Duncan zurück.
    Doch im Grunde war es ihnen gleichgültig. Was immer geschah, sie waren zusammen, alles andere war unwichtig. Einträchtig blickten sie ins Dunkel und warteten auf das Ende des Sturms.
    62
    A m nächsten Morgen war der Krieg vorbei, noch bevor er richtig angefangen hatte. Der Hurrikan dauerte bis in die frühen Morgenstunden, und als er endete, ertrank Barbados im Regen. Es goss wie aus Kübeln, was den restlichen Kampfgeist aufseiten der Rebellen schlagartig verlöschen ließ. Die meisten der vom Inselrat ins Feld geschickten Soldaten hatten sich bereits in der Nacht ergeben, die Übrigen streckten am Morgen die Waffen. Angesichts der drohenden Übermacht der wesentlich besser bewaffneten und ausgebildeten Armee Cromwells, die mit mehreren Hundert Infanteristen in geschlossener Front auf Bridgetown vorzurücken drohte, hielt es Jeremy Winston schlussendlich für besser, einen Parlamentär mit weißer Fahne auszustatten und dem Feind die Kapitulation überbringen zu lassen. Diese Aufgabe fiel seinem Neffen Eugene zu, der darüber unangemessen erfreut schien, wie sein Onkel fand. Doch letztlich waren alle froh, dass dieser Krieg nicht viele Opfer gefordert hatte. Zwar gab es auf beiden Seiten zahlreiche Verletzte, doch das war weniger den Kampfhandlungen als dem Orkan und den umherfliegenden Trümmerstücken geschuldet.
    Unter den Zivilisten waren jedoch mehr Tote zu beklagen. Der Sklavenaufstand war niedergeschlagen worden, aber er hatte einige Dutzend Menschen das Leben gekostet, wobei die Zahl der schwarzen Opfer die der weißen um ein Mehrfaches überstieg. Weitere Sklaven würden wegen des Aufstandes noch sterben müssen. Das Gefängnis quoll von ihnen über. Man war dazu übergegangen, alle Übrigen, die man in den Wäldern aufgriff, im Freien anzuketten. Natürlich würde man sie nicht alle hinrichten, das konnten die Pflanzer sich nicht leisten. Ein paar Rädelsführer würde man aufhängen, den Rest auspeitschen, brandmarken und dann wieder an die Arbeit treiben, desgleichen die Schuldknechte. Es galt, schnellstmöglich den Ernteausfall infolge des Sturms wettzumachen, darauf würden auch die derzeitigen Herren aus London dringen, denn die Welt brauchte den Zucker.
    Während das Flottenkommando die Befehlsgewalt auf Barbados übernahm und die Bedingungen diktierte, unter denen das Leben auf der Insel weitergehen sollte, übten die Bewohner sich in Schadensbegrenzung, was jedoch durch das schlechte Wetter beträchtlich erschwert wurde. Unaufhörlich stürzten die Wassermassen aus dem grauen Himmel herab und sorgten dafür, dass die Fluten, die auf dem Höhepunkt des Orkans die Küste überschwemmt und den Constitution River in einen breiten Strom verwandelt hatten, nur langsam wieder sanken. Allein während der Morgenstunden hatte man etliche Tote aus den Trümmern geborgen, und in den Schlammmassen, die kniehoch in den Gassen standen, vermutete man weitere.
    Duncan entdeckte mit gelindem Entsetzen, dass das Chez Claire nicht mehr existierte. In der Gasse, wo es gestanden hatte, war die halbe Häuserzeile verschwunden. Die andere Hälfte stand bis zu den Fensterstürzen unter Wasser. Halb fluchend, halb betend dankte er zuerst Elizabeth und ihren Vorahnungen und dann seinem Schöpfer für dessen Umsicht und Güte. Anschließend machte er sich auf die Suche nach Claire. Zu seiner Erleichterung fand er sie ein paar Gassen
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