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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind
Autoren: Elena Santiago
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geisterhaft bleich, die Augen riesig. Ihre Lippen zitterten und waren bläulich angelaufen, sie fror, und nun fiel auch Elizabeth zum ersten Mal auf, wie kalt es geworden war. Sie drückte Deirdres Hand, dann öffneten sie gemeinsam das Tor.
    Elizabeth folgte Anne und Deirdre in die Kirche und wartete, bis Duncan, Felicity und Celia ebenfalls die Schwelle überschritten hatten, bevor sie hastig die schwere Holztür wieder zuschlug. Keinen Moment zu früh, denn ein gewaltiger Schlag traf das Tor von außen und ließ es erzittern – der Orkan hatte ein größeres Trümmerstück dagegengeschleudert.
    Beim Altar brannte eine Stundenkerze, das Licht noch flackernd vom Luftzug. In der Kirche war das Tosen des Sturms nur gedämpft zu hören, doch mit dumpfem Krachen prallten immer wieder von außen Gegenstände gegen die Mauern. Duncan reichte Elizabeth das laut weinende Kind, und als sie es nahm, sah sie fassungslos das viele Blut in Jonathans Gesicht.
    » Um Gottes willen! Er ist verletzt!« Fieberhaft fing sie an, nach der Wunde zu suchen. Felicity brach in Wehklagen aus und wollte ihr helfen, aber ihre Hände waren nur hinderlich.
    » Ihm fehlt nichts«, sagte Duncan. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und als er sich den Umhang abstreifte, war zu sehen, dass das Hemd an seiner rechten Schulter blutdurchtränkt war. Ein langer, fingerdicker Holzsplitter hatte sich dort tief ins Fleisch gebohrt, Duncan zog ihn mit einem Ruck heraus. Es blutete heftig, doch der Knochen schien nicht verletzt zu sein. Celia verband den Arm mit ein paar Streifen Stoff, die sie aus Elizabeths Unterrock riss. Elizabeth half ihr dabei. Als Celia mit dem Anlegen der Bandage fertig war, zog sie sich in eine Ecke der Kirche zurück und kauerte sich dort nieder. Elizabeth folgte ihr und hockte sich neben sie auf den Boden.
    » Woher wusstest du, dass Harold Robert umgebracht hat?«, fragte sie leise. » Du warst doch nicht dabei, oder?«
    Celia schüttelte den Kopf.
    » Ich wusste es erst vorhin, als ich davon sprach. Ich habe es … erfahren.« Die Mulattin blickte Elizabeth unverwandt an. Der entfernte Kerzenschein spiegelte sich in ihren Augen und erzeugte dort ein unwirkliches Glimmen. Elizabeth schluckte und wich auf eine andere Frage aus.
    » Wer hat dir gesagt, dass Harold dein Vater war?«
    » Lady Harriet«, antwortete Celia sachlich. » Eines Tages – ich war noch ein Kind – fragte ich sie, wer meine Mutter und mein Vater waren, und da sagte sie es mir. Vor meiner Geburt lebten nur wenige Sklaven auf Barbados, darunter gab es kaum Frauen. Harold Dunmore hatte eine von ihnen gekauft, eine schöne junge Sklavin, die ein paar Monate später schwanger wurde. Als die Zeit ihrer Niederkunft kam, verschwand sie im Wald und wurde wenig später tot aufgefunden – ermordet, aber ohne ein Kind. Mich entdeckten sie in der Nähe des Herrenhauses von Summer Hill, meine Mutter musste mich dort abgelegt haben, bevor sie versuchte, sich zu verstecken. Meine Haut war hell, und als meine tote Mutter gefunden wurde, musste Lady Harriet nur eins und eins zusammenzählen. Außer Harold war kein Weißer in die Nähe meiner Mutter gekommen, nur er konnte mein Vater sein. Er war ein einziges Mal schwach geworden.« Celias Stimme wurde bitter. » Er hatte seine heiligen Grundsätze verraten und sich mit einem Geschöpf minderer Rasse eingelassen. Natürlich war es nicht seine Schuld, sondern die meiner Mutter, also musste sie sterben, bevor alle Welt seine Schwäche und Schande bemerkte.«
    Elizabeth erinnerte sich, dass Harold geradezu manisch darauf bedacht gewesen war, Robert daran zu hindern, sich schwarze Frauen zu nehmen. Offenbar hatte er gefürchtet, dass die Vergangenheit sich wiederholen könne.
    » Wusste Lady Harriet, dass Harold deine Mutter getötet hat?«
    » Vielleicht hat sie es geahnt, aber vermutlich erschien ihr dieser Verdacht zu ungeheuerlich, denn sie sagte nie ein Wort darüber. Sie fand jedoch, jeder Mensch solle wissen, wer seine Eltern seien und woher er komme, daher erzählte sie mir, dass Harold Dunmore mein Vater sei. Sie ließ mich jedoch schwören, dass ich niemals darüber reden würde. Diesen Schwur habe ich gehalten. Bis heute.«
    » Du hast recht daran getan, es auszusprechen.«
    » Ich weiß. Ich hoffe, sie ist nicht böse auf mich.«
    » Nicht Lady Harriet. Sie hätte es verstanden.« Forschend blickte Elizabeth das Mädchen an. » Was ist auf Summer Hill geschehen?«
    Celia berichtete ihr leise, was sie wusste, und
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