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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind
Autoren: Elena Santiago
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Das könnt ihr auch. Als freie Menschen!«
    In Deirdres Miene verwandelte sich Zweifel in zaghafte Hoffnung.
    » Oh, Mylady, das wäre … Ich danke Euch!«
    Anne war aufgewacht und richtete sich leise stöhnend auf. Elizabeth setzte sich zu ihr und legte den Arm um sie.
    » Anne. Liebes. Es tut mir so schrecklich leid, was dir widerfahren ist!«
    Anne nickte stumm. Das von dem Schlangenbiss verursachte Fieber war verflogen, doch sie war von den Strapazen der letzten Tage völlig entkräftet. Der meilenweite Gewaltmarsch, zu dem sie sich nach einer kurzen und unruhigen Nacht in der Höhle gezwungen hatte, um in Bridgetown nach ihrem Bruder zu suchen und Harold zur Rechenschaft zu ziehen, hatte ihr alles abverlangt. Elizabeth drückte sie fest an sich.
    » Sie werden ihn finden und dafür richten!«
    Anne hob den Kopf. » Merkst du es?«
    » Was denn?«
    » Es hat aufgehört!« Wilde Hoffnung zeigte sich in Annes Zügen. » Ich kann endlich los, nach William suchen!« Mühsam kämpfte sie sich auf die Beine und lief zum Tor, um es zu öffnen.
    Elizabeth lauschte. Tatsächlich, das Brausen des Windes hatte sich gelegt. Erleichtert stand sie auf und wandte sich zu Duncan um, der erschöpft auf der Bank saß und sich den verletzten Arm hielt.
    » Es ist vorbei!«, rief sie.
    Celia war aufgesprungen.
    » Nein! Ihr dürft nicht hinaus! Das ist nur das Auge!«
    » Was?« Verständnislos drehte Elizabeth sich zu Celia um.
    » Wir sind im Auge des Orkans«, pflichtete Duncan der Mulattin bei. » Der Hurrikan ist jetzt direkt über uns. Die Ruhe täuscht. Es wird nicht mehr lange dauern, bis es von vorn losgeht.«
    Anne ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie hatte das Tor aufgestoßen und wollte hinauslaufen, wich dann aber langsam zurück, die Hände abwehrend ausgestreckt.
    » Endlich hab ich dich«, sagte Harold Dunmore, während er in die Kirche spaziert kam wie ein geladener Gast. Er war vom Sturm gebeutelt und sein Gesicht von Blessuren übersät. Mit dem an mehreren Stellen zerrissenen dunklen Wams und dem wüst zerzausten schwarzen Haar sah er aus wie ein zerfledderter großer Raubvogel auf der Jagd.
    Und er war tatsächlich hier, weil er töten wollte. Er hatte ein großes Messer gezückt; das Kerzenlicht vom Altar fing sich in der blinkenden Klinge. Anne stolperte rückwärts von ihm weg. Nach zwei Schritten rutschte sie aus und fiel hin. Fast nachlässig kniete er bei ihr nieder und hielt sie fest, während er mit dem Messer ausholte.
    Duncan war sofort von der Bank aufgesprungen und losgestürmt, kaum dass Harold aufgetaucht war, doch er war nicht schnell genug. Und selbst wenn er es rechtzeitig geschafft hätte – mit dem nutzlosen rechten Arm war er kein Gegner für Harold, zumal er seinen Waffengurt abgelegt hatte. Elizabeth war zur Seite getreten, weil Duncan ihr die Sicht versperrte. Nie und nimmer hatte sie damit gerechnet, dass Harold ihnen durch den Sturm folgen und sie hier finden könnte, doch in diesem entscheidenden Moment fackelte sie nicht lange, sondern handelte so kaltblütig, wie sie es von Duncan gelernt hatte. Überleben kann nur der Gewinner.
    Sie zielte nicht großartig, dafür blieb keine Zeit. Der Schuss krachte im selben Moment, als das Messer herabfuhr. Die Kugel traf Harold in den Bauch und warf ihn nach hinten. Der Dolch landete scheppernd auf dem Boden. Harold blieb auf dem Rücken liegen, versuchte aber, sich herumzuwälzen und nach dem Messer zu greifen. Celia war mit wenigen Schritten an seiner Seite, sie griff den Bruchteil eines Augenblicks vor ihm nach der Waffe und riss sie ihm weg. Ächzend rollte er auf den Rücken zurück und starrte zu ihr hoch.
    » Hexe«, murmelte er. » Verflucht sollst du sein.«
    » Das bin ich doch schon längst, Vater. Wir beide sind es.« Sie ging neben ihm in die Knie, hob mit beiden Händen den Dolch hoch über den Kopf und ließ die Klinge niedersausen. Dann fiel sie zurück und blieb benommen sitzen. Das Heft der Waffe ragte wie ein Ausrufezeichen in Höhe des Herzens aus Dunmores Brust. Er röchelte und versuchte, die Hand zu heben und noch etwas zu sagen, doch dann lag er still.
    Deirdre war vor dem Kreuz am Altar auf die Knie niedergesunken und betete, und Felicity gesellte sich zu ihr, das angstvoll weinende Kind in den Armen, während Celia, Anne und Elizabeth mit vereinten Kräften den Leichnam von Harold Dunmore aus der Kirche schleiften. Draußen war es dunkel, doch die überall herumliegenden Trümmer ließen das Ausmaß der Zerstörung
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