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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind
Autoren: Elena Santiago
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Inneren und wich unter gellenden Schreien vor den wild hochschießenden Flammen zurück – vergebens, denn es gab keinen Ausweg.
    Jeremy und Eugene Winston waren aus der Residenz herübergekommen, offenbar aufgeschreckt von dem weithin sichtbaren Feuer auf dem Richtplatz. Der Gouverneur hatte sich mit einer Muskete bewaffnet und blickte wild in die Runde.
    » Was ist hier los?«, schrie er gegen den Sturmwind an. » Haben wir denn nicht genug Sorgen an diesem grauenhaften Tag?«
    Harold sparte sich die Antwort, obwohl immer mehr Leute angelaufen kamen und fassungslos den brennenden Käfig anstarrten. Hastig erteilte er den beiden von ihm bezahlten Halsabschneidern den Befehl, die Mulattin zu schnappen, doch Celia wich zurück und blieb zwischen dem Gouverneur und seinem Neffen stehen. Während beide sich ihr perplex zuwandten, riss der Sturm ihr die Decke von den Schultern, sodass alle Umstehenden in ihr die verurteilte Mörderin erkannten.
    » Ergreift sie!«, brüllte Eugene, wie um seine Wichtigkeit unter Beweis zu stellen. Doch Celia machte einen Ausfallschritt in Richtung des Gouverneurs und entriss ihm die Muskete. Sie richtete die Waffe auf die Männer, die auf sie zukamen, und brachte sie damit zum Stehen.
    » Löscht das Feuer!«, schrie sie mit überkippender Stimme, nackte Verzweiflung im Gesicht. » Öffnet den Käfig und lasst ihn raus!«
    Doch niemand gehorchte ihr, es war ohnehin zu spät. Die Flammen hatten den schwarzen Körper erfasst und hielten ihn in zuckender Agonie gefangen, ließen die brennenden Gliedmaßen in grausigem Tanz auf- und niederfahren, bis sich nur noch das Feuer bewegte. Es brannte in wilder Gier weiter, umtoste die liegende Gestalt und verwandelte sie in eine vom Sturm gepeitschte Fackel. Der Gestank nach verbranntem Fleisch umwaberte den Käfig, wurde jedoch binnen Augenblicken vom Wind fortgerissen.
    » Vater!«, rief Celia. Ihr starrer Blick heftete sich auf Harold, der zusammenzuckte und sich panisch umsah.
    » Vater, willst du mit diesen Sünden vor deinen Schöpfer treten? Willst du lauter Unschuldige für deine eigenen Taten büßen lassen?«
    Harold holte tief Luft. Sie konnten ihr unmöglich glauben. Nicht diesem schwarzen Flittchen.
    » Ja, seht nur hin! Schaut euch meinen Vater an! Meinen eigenen Vater! Der meine Mutter umgebracht hat, weil sie ein Kind von ihm austrug! Sie war seine erste Sklavin, und er hat sie geschwängert, doch das sollte sie mit dem Leben bezahlen. Sie lief davon, gebar mich im Wald und ließ mich liegen, weil er sie jagte wie ein Tier. Sie konnte ihm nicht entkommen! Er hat sie getötet. Erwürgt mit seinen eigenen Händen. Genau auf dieselbe Art, wie er auch Mistress Martha getötet hat.«
    Harold merkte, wie entgeisterte Blicke ihn trafen. Er wollte protestieren, doch er bekam keinen Ton heraus, denn er wurde gewahr, dass auch Elizabeth hier war. Sie stand drüben, auf dem Weg, der zur Kirche führte. An ihrer Seite sah er Felicity, und hinter den beiden stand Duncan Haynes, der das Kind in seinen Armen trug. Harold wollte zu ihm, ihn töten, doch seine Füße waren wie festgewachsen. Es war, als hätte Celia, diese dunkle Hexe mit den gelben Augen, ihn an Ort und Stelle gebannt, damit er sich anhören musste, was sie zu sagen hatte. So wie auch alle anderen es mitbekamen. Der verdammte Gouverneur und sein feiger Neffe. Die Männer, die eigentlich die Garnison bewachen oder gegen die Rundköpfe kämpfen sollten. Und Elizabeth, die all das gar nicht wissen durfte.
    » Er hat Mistress Martha umgebracht! Und nicht nur das! Er hat auch Lady Harriet ermordet, weil sie ihn einst verschmäht hat! Er hat versucht, Lady Anne zu töten, um sie zum Schweigen zu bringen, doch sie konnte fliehen und hat mir alles erzählt! Sie lebt und kann es bezeugen! Aber das ist nicht das Schlimmste. Er hat außerdem auch das furchtbarste aller Verbrechen begangen.«
    Celias Stimme wurde mit einem Mal tiefer und hallender, sie entfaltete eine eigentümliche, unbegreifliche Macht, einen Sog, der Harold in eine Schwärze zog, die wie kochendes Pech auf ihn lauerte, um ihn zu verschlingen. Sogar der Wind schien vor ihrer Anklage zu verstummen, er hielt in seiner brausenden Urgewalt inne, als wollte er dafür Sorge tragen, dass sie von allen verstanden wurde. Celias Augen schienen wie von innen heraus zu leuchten, ihre ganze Präsenz bekam plötzlich etwas so Unwirkliches und zugleich Erhabenes, dass es Harold vor namenloser Furcht den Atem verschlug, als sie die letzte
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