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0514 - Der Schädeltempel

0514 - Der Schädeltempel

Titel: 0514 - Der Schädeltempel
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Faszinierend«, bemerkte Nicole Duval und stieg aus dem dunkelblauen Kombifahrzeug. Sie näherte sich vorsichtig dem nebenan geparkten Vehikel und umrundete es. Professor Zamorra und Pascal Lafitte folgten ihr. Der andere Wagen war tatsächlich sehenswert.
    Ursprünglich hatte es sich wohl um einen Geländewagen vom Typ Nissan-Patrol gehandelt. Jetzt glich er einem vorzeitlichen Ungeheuer. Auf dem Dach ragten Windleitbleche empor, die die gezackte Form von Drachenflügeln aufwiesen. Entsprechend waren sie auch bemalt. An den Hecktüren war ein ebenfalls gezackter Drachenschweif aufgemalt, der sich auch über die Verkleidung des außen montierten Ersatzrades ringelte. Die Fahrzeugflanken zeigten Reptilbeine; auf den vorderen Kotflügeln bleckten aufgemalte Zähne in einem aufgerissenen Maul. Vorn wurde es noch interessanter; die Scheinwerfer waren als Nüstern umfunktioniert, und vor dem Kühlergrill, der analog zu den Seitenbemalungen als aufgerissenes Maul gestylt war, prangte ein Rammschutzbügel mit aufgesetzten Zähnen. Die ganze Lackierung des Wagens glich bräunlichgrüner Schuppenhaut, zum »Bauch« hin aufhellend, und über der Frontscheibe waren rechts und links rote Lampen so montiert, daß sie wie Frosch- oder Krokodilaugen aufgesetzt waren.
    »Das ist kein Auto«, seufzte Pascal Lafitte. »Das ist ein Krokodil auf Rädern.«
    Ob das Interieur ebenfalls reptilisch gestylt war, entzog sich den Blicken; die Scheiben waren rundum abgedunkelt und ließen keinen Blick ins Innere zu. Selbst die Frontscheibe und die vorderen Türen waren verdunkelt, was aus Gründen der Verkehrssicherheit an sich gar nicht zulässig war. Aber darum schien der Besitzer des skurrilen Vehikels sich nicht kümmern zu wollen.
    »Möchte wissen, wer der Verrückte ist, dem dieses fahrbare Ungeheuer gehört«, sagte Nicole. Zamorra winkte ab; er war an einer anderen Frage interessierter. »Was ist jetzt - frieren wir uns hier draußen die Ohren ab, oder gehen wir ›Zum Teufel‹?« drängte er. »Der nächste Regenschauer kommt bestimmt.«
    Der kühle Wind zauste sein Haar. Nicole hatte die Kapuze ihrer gefütterten Jacke hochgeschlagen. Pascal Lafitte vollzog bereits einen Eiertanz zwischen großformatigen Pfützen hindurch auf die Kneipe zu - bestes und einziges Lokal im Ort.
    Über der Tür prangte ein holzgeschnitzter Teufelskopf mit mächtigen Hörnern, darüber das Leuchtschild mit der Aufschrift »Zum Teufel«. Mostache, der Wirt, war der Ansicht, daß das doch ein recht passender Name sei, da ja der Dämonenjäger Zamorra zu seinen Stammgästen zählte. Nicht immer, aber immer öfter.
    Heute hatte Pascal seine Frau Nadine und die beiden Kinder zum Château Montagne hinauf gebracht; Madame und Lady Patricia Saris wollten wieder einmal ungestört über Erfahrungen mit ihren Kindern plaudern. Zamorra und Nicole ergriffen die Gelegenheit beim Schopf, mit Pascal hinunter in die Kneipe zu fahren, zu einem kleinen abendlichen Umtrunk mit den Leuten aus dem Dorf. Der Kontakt zwischen Dörflern und Schloßherrschaft war schon immer sehr intensiv und freundschaftlich gewesen. Später sollte Butler William dann Nadine und die Kleinen wieder zurückfahren und auf dem Rückweg Zamorra und seine Gefährtin wieder mit hinauf zum Château nehmen.
    Nacheinander betraten die drei das Lokal. Mostache, der Wirt, winkte sie sofort zum »Montagne-Tisch« weiter, den er extra für den Professor und seine Freunde eingerichtet hatte, wie er verlauten ließ. Unaufgefordert marschierten die beiden Schoppen Wein auf den Tisch, für Pascal ein kühles Bier, und Zamorra bestellte zusätzlich dreimal Glühwein.
    Zamorra sah sich kurz um; auf der anderen Seite der Schankstube hatte sich eine größere Gruppe versammelt. Einige sahen kurz herüber und winkten ihm grüßend zu; er erkannte den Posthalter, Marie-Claire, die Besitzerin des kleinen Krämerladens, André Goadec, der den größten Montagne-Weinberg gepachtet hatte, und Jeanette Brancard, die in Paris Parapsychologie studierte, gerade auf Wochenendurlaub war und Zamorra hin und wieder um Rat bei kniffligen Problemen fragte.
    Nicole zupfte an Mostaches Schürze, als der Wirt sich wieder in Richtung Theke wandte, um die Bestellung zu bearbeiten. »Sag mal, wenn du schon für die Renovierung deines Etablissements eine Menge Geld ausgegeben hast, hättest du dann nicht auch das Binnengewässer vor deinem Eingang trockenlegen können?«
    »Etablissement? Was soll das denn schon wieder heißen? Das hier
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