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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus
Autoren: Luca Di Fulvio
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alle versetzt … Sie haben das Personal komplett ausgewechselt, weil sie der Meinung waren, was wir erlebt haben, könnte unsere Arbeit beeinträchtigen.«
    »Schon möglich.«
    »Aber die Zimmer und die Abteilungen sind alle gleich …« Ihr Blick verlor sich in dem schrecklichen Albtraum, und sie dachte an alle, die, wenn auch nur am Rande, davon betroffen waren. Die Stadt hatte vielleicht alles vergessen. Aber nicht die einzelnen Menschen in ihr.
    »Ja … also …«, brummte Frese verlegen.
    »Ich überlege, mich beruflich zu verändern«, fuhr Signora Iacobi fort. »Vielleicht helfe ich meinem Vater im Geschäft … Was führt Sie denn hierher? Die Arbeit?«
    »Nein, ich besuche einen Freund«, antwortete Frese und deutete auf Max.
    Der junge Mann aus dem Archiv war aufgewacht und winkte zu Frese hinüber.
    Signora Iacobi lächelte. »Ich habe gehört …«
    »Und glauben Sie, die Arbeit in einem Laden wird Ihnen gefallen?«, fragte Frese sie.
    Die Krankenschwester zuckte mit den Schultern. »Mein Vater ist alt und verwitwet«, sagte sie. »Er hat eine Eisenwarenhandlung in einem Vorort. Dort bin ich aufgewachsen. Das wird schon nicht so übel sein, was meinen Sie?«
    »Ja, das glaube ich auch …« Er sah sie an. »Würden Sie mir verraten, wie Sie mit Vornamen heißen?«
    Die Krankenschwester starrte ihn einen Moment an.
    »Sarah«, antwortete sie dann. »Mit einem h am Ende. Ich komme aus einer jüdischen Familie«, fügte sie dann beinahe herausfordernd hinzu und beobachtete, wie Frese darauf reagierte.
    »Sind Sie beschnitten?«, fragte er.
    Sie erstarrte kurz, doch dann brach sie in Gelächter aus.
    Max winkte Frese noch einmal von seinem Bett aus zu.
    »Ich komm ja schon, du Nervensäge«, schrie ihm Frese zu. Dann wandte er sich wieder der Krankenschwester zu. »Hören Sie, Sarah mit einem h am Ende, wie geht es Ihrem Kleinen …?«
    »Dem Stöpsel ?«, sagte Signora Iacobi lachend.
    Frese wurde rot.
    »Ich habe ihm erzählt, dass Sie und der Commissario einen von den Bösen geschnappt haben, und seitdem will er nur noch so genannt werden«, erklärte die Frau. »Er hat auch gesagt, er will so ein Polizist werden wie Sie. Sie sind sein Held …«
    »Na … wenn wir uns öfter begegnen, überlegt er sich das vielleicht noch mal«, meinte Frese scherzhaft. »Ich kann nicht sehr gut mit Kindern …«
    Signora Iacobi lächelte.
    »Warum lassen Sie sich nicht von mir zum Abendessen einladen?«, fragte Frese.
    »Meine Schicht geht bis acht Uhr«, sagte sie. »Und der Stöpsel ist heute Abend bei seinem Großvater.«
    »Schon notiert«, meinte Frese. »Wir treffen uns vor dem Haupteingang. Ich bin der Kleine mit der Bullenvisage und dem Blumenstrauß in der Hand.«
    Als sie sich zum ersten Mal in diesem kleinen Haus, das sich an diesem Abhang über dem Meer festzuklammern schien, sicher und glücklich gefühlt hatte, hatte Giuditta sich auf den Rand der Rutsche gesetzt, ohne an etwas Bestimmtes zu denken. Sie hatte den Horizont angestarrt und sich in dieser feinen, verschwommenen bläulichen Linie förmlich verloren.
    »Ich wünschte mir, dass eines der Kinder nicht wieder gehen müsste«, hatte sie leise vor sich hin gemurmelt, ohne im Voraus zu wissen, was sie sagen würde. »Ich wünschte mir, dass dieses Haus das Heim eines Kindes wäre.«
    Dann hatte sie sich beinahe erschrocken zur Terrasse umgewandt und dort Giacomo entdeckt, der sich mit den Händen auf die Brüstung stützte und sie beobachtete. Sie hatte gelacht, ein wenig verlegen, weil man sie in einem so intimen Moment ertappt hatte, aber von da an wiederholte sie diesen Satz jeden Nachmittag, wenn die Kinder gegangen waren, und drehte sich um, weil sie wusste, dass Giacomo dort auf der Terrasse stand.
    Und sie lachte, weil sie wusste, dass er sie eines Tages hören würde. Giuditta saß wieder auf der Rutsche. Sie sah ein Blatt Papier auf dem Boden und hob es auf, weil sie dachte, eines der Kinder hätte es vielleicht vergessen. Sobald sie es ansah, erkannte sie es wieder. Erkannte Giacomos Schrift, aus der sein Leiden sprach. Erkannte diese dumme alte Geschichte wieder, die ihn so beeindruckt hatte.
    Ein Pärchen geht in ein Tal hinunter. Der Hügel um sie herum steht in voller Blüte und das Gras ist schon feucht von der hereinbrechenden Abenddämmerung … Ehe die Sonne direkt vor ihnen die beiden Liebenden verlässt, setzt sie noch Glanzlichter in ihre Haare und bringt seine Augen zum Strahlen … und lässt sie beide schöner wirken, als sie
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