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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus
Autoren: Luca Di Fulvio
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sagte er mit ausdrucksloser Stimme.
    Amaldi stoppte die Beamten mit einer Handbewegung und steckte seine Waffe in den Hosengürtel. Dann näherte er sich vorsichtig den beiden.
    Daraufhin drehte Palermo sich um. Sein Gesicht war eine starre Maske.
    Der Körper in seinen Armen bewegte sich nicht.
    Um sie herum saßen etwa zwanzig Tauben. Sie wirkten neugierig. Oder verstört.
    Amaldi ging noch einen Schritt näher. Jetzt stand er vor ihm.
    »Er ist tot …«, sagte Palermo, aber diesmal klang seine Stimme voll, weich, nicht nachgiebig oder schwach, sondern einfach nur ruhig. Die Stimme eines Mannes, der etwas begriffen hatte. Er beugte sich nach vorn, zu Amaldi hinüber, streckte seine Hände aus und ergriff die des anderen. Er sah ihn an.
    Amaldi nahm keine Gedanken in diesen Augen wahr – die so verändert, so sanft wirkten, dass der Mann beinahe nicht wiederzuerkennen war –, nicht mehr als ein Atmen. Vielleicht eine Erinnerung. Oder ein ferner Gedanke. Einen Funken, der zu schwach war, um den Schmerz aufzuhellen, in dem er versunken war, der seine Dunkelheit nur noch undurchdringlicher machte.
    Die Hände der beiden waren noch immer ineinander verschlungen.
    Amaldi löste seine Hand aus der Palermos und setzte sich neben ihn. Beide starrten auf einen fernen, nicht erkennbaren Punkt am Horizont. Und dennoch meinte Amaldi, einen kurzen Moment lang zumindest, dass sie den gleichen Punkt betrachteten.
    »Sag ihnen, sie sollen ihn gut behandeln«, sagte Palermo nach einer Weile und streichelte Luz’ kaltes Gesicht.
    »Ja …«
    Ganz plötzlich erhoben sich alle Tauben auf einmal flügelrauschend in die Luft.
    »Nun können wir gehen«, sagte Palermo dann.
    Er stand auf, zog sich die Jacke aus und bettete sanft den Kopf seines Geliebten darauf wie auf ein Sargkissen.

XXIII
    Frese hatte ihn keinen Moment allein gelassen. Nachdem er fast einen Tag ununterbrochen an Max’ Bett ausgeharrt hatte, hatte man ihm erklärt, der Junge sei außer Lebensgefahr.
    Frese ließ sich im Besucherzimmer in einen abgewetzten Sessel mit einem ausgeblichenen, roten Bezug fallen, während beim Pflegepersonal Schichtwechsel war. Er schloss die Augen. Die Müdigkeit sog ihn schwindelnd schnell ein wie in einen rasanten Strudel.
    Die Klinge war tief eingedrungen und hatte einen Teil der Luftröhre durchtrennt. Max wäre beinahe an seinem eigenen Blut erstickt.
    Frese öffnete die Augen und sprang aus dem Sessel auf.
    Man hatte die Blutung noch rechtzeitig stoppen können und auch die Flüssigkeit war schnell wieder aus seinen Lungen verschwunden.
    »Du hast wirklich kein Glück mit Frauen«, hatte Frese zu Max gesagt, als dieser nach der zweistündigen Operation aus der Narkose erwacht war.
    »Du kannst mich mal, Nicola«, hatte Max geantwortet.
    Frese hatte erleichtert gelächelt. Die Stimmbänder waren also unverletzt.
    Max war gerettet, sagte er sich wieder. Aber durch seine Schuld wäre er beinahe gestorben. Frese versuchte noch einmal, die Augen zu schließen, und wieder drehte sich die Dunkelheit vor ihm. Er klammerte sich an die roten Armlehnen des Sessels, als hätte er Angst zu fallen. Dann atmete er tief durch und seine offenen Augen brannten vor Müdigkeit.
    Das Krankenhauspersonal lief geschäftig in den Gängen umher. Frese stand auf und schaute in Max’ Zimmer hinein. Er schlief. Aus einem Tropf rann langsam eine klare Flüssigkeit in seinen Arm, lange, durchsichtige Kanülen weiteten seine Nasenlöcher, der Verband am Hals hatte Blutflecken. Sein rundes Gesicht mit den Hasenzähnen war blass.
    Als Frese sich umdrehte und zu dem roten Sessel zurückgehen wollte, sah er sie. Er erkannte sie sofort wieder, auch von hinten. Sie war klein und kräftig. Der weiße Kittel lag eng über ihrem ausladenden Hintern an.
    »Signora Iacobi«, sprach Frese sie an.
    Die Frau drehte sich um.
    »Ich wusste doch, dass ich Sie schon mal gesehen hatte«, sagte Frese und ging zu ihr.
    Die Krankenschwester zog kurz verblüfft die Augenbrauen hoch, bis auch sie ihn wiedererkannte. Dann lächelte sie ihm zu.
    »Haben Sie die Abteilung gewechselt? Das letzte Mal sind wir uns in der Onkologie begegnet …«
    Der Krankenschwester stand wieder die Verblüffung ins Gesicht geschrieben.
    »Ajaccio … der Präparator … und so weiter«, sagte Frese, um ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
    »Ach, Sie waren auch dort? Ich kann mich nur an Commissario Amaldi erinnern …«
    »Ja, ich war auch dort. Also hat man Sie versetzt?«
    »Die Leitung hat
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