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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus
Autoren: Luca Di Fulvio
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Augenblick ruckartig stehen. Amaldi musste an eine Schallplatte denken, auf der die Nadel kurz hängen blieb, bevor sie weiterlief. Dann verschwand die Frau in der Dunkelheit, jemand folgte ihr. Amaldi setzte ihr sofort nach.
    Frese war inzwischen bei Max angekommen. Der Hals des Jungen war aufgeschlitzt. Seine Pupillen erweitert. Er hatte den erstaunten Gesichtsausdruck eines tödlich verwundeten Tieres. Seine Nasenlöcher bebten wie bei jemandem, der wittert, dass das Leben stoßweise aus seinem Körper entweicht.
    »Einen Krankenwagen! Einen Krankenwagen!«, brüllte Frese, während er versuchte, den Blutfluss zu stillen. Er spürte, wie seine Augen sich mit Tränen füllten. »Halt durch …«, sagte er und streichelte Max’ blutiges Gesicht.
    Nur ein paar Meter von ihm entfernt lag ein Bündel blutgetränkter Geldscheine.
    Durch einen Tränenschleier hindurch bemerkte Frese, wie Max’ Augen sich trübten.

XXII
    Palermo war vor Amaldi losgerannt. Hatte die Straße überquert und war in die Richtung gelaufen, die Luz einschlagen würde.
    Er hatte ihn gerade noch erreicht, bevor er zu Boden stürzte, hatte ihn sich auf die Schultern geladen und zu dem alten Lieferwagen getragen. In der Handtasche hatte er die Autoschlüssel gefunden, Luz hineingehievt und sich ans Steuer gesetzt. Beim Wegfahren hatte er im Rückspiegel noch gesehen, wie Amaldi sich hinkniete, zielte und drei Schüsse abgab. Eine Kugel hatte den Lieferwagen getroffen, bevor er um die Ecke biegen und sich so aus der Schusslinie bringen konnte.
    Palermo gab Vollgas, und in knapp zehn Minuten hatte er das verrostete Tor erreicht, öffnete es, fuhr den Lieferwagen die steile Abfahrt hinunter, vor das Rollgitter, schob es hoch und stellte den Wagen in der kleinen Garage ab. Dann lief er die Zufahrt hoch, und während er das Tor schloss, lauschte er in die Nacht hinaus, ob Polizeisirenen zu hören waren. Doch er nahm nur das dumpfe Raunen der Stadt wahr und seinen eigenen keuchenden Atem. Daraufhin lief er die Zufahrt noch mal hinunter und schloss das Rollgitter hinter sich wieder.
    Er schleppte Luz in die dunkle Kellerwohnung und legte ihn aufs Bett.
    Luz’ Seidenkleid war an der linken Seite zerrissen. Man konnte genau erkennen, wo die Kugel ein- und wo sie ausgetreten war.
    Luz verbarg sein Gesicht in den Händen.
    Palermo hob den Saum hoch an und untersuchte die Wunde. Sie blutete zwar heftig, aber es war dennoch keine schwere Verletzung. Palermo nahm ein Taschentuch und drückte es auf die Wunde. Luz zitterte und bog den Rücken durch.
    »Nicht hier …«, sagte er zu Palermo. »Ich will nicht hier sterben …«
    »Du wirst nicht sterben.«
    Luz antwortete nicht. Er sah den Mann an, den er liebte. Lange Zeit.
    »Du bist … zurückgekommen … Ferrante«, meinte er.
    »Ja …«
    Luz lächelte schwach und öffnete seine roten Lippen ein wenig. Er streckte die Hand aus und streichelte das Gesicht seines Geliebten, als wollte er sich vergewissern, dass dies kein Traum war. Er forschte ängstlich in Ferrantes Augen, weil er fürchtete, dort ein Urteil über sich zu lesen. Doch die Augen seines Geliebten waren klar und rein.
    »Du bist zurückgekommen«, wiederholte er.
    »Ich muss sehen, dass es aufhört zu bluten …«
    »Nein … das hört nicht auf«, flüsterte Luz. »Das hat nie aufgehört.«
    Palermo nahm seine Hände und drückte sie.
    »Bring mich auf die Terrasse, Ferrante«, sagte Luz.
    Palermo bewegte sich nicht.
    »Bitte …«
    Palermo ließ seine Hände los.
    »Aber erst zieh mir Männerkleidung an.«
    Palermo erhob sich vom Bett und suchte sorgsam die Kleidung aus. Dann kam er zu Luz zurück und nahm ihm die Perücke ab. Er sah die frischen Schnitte, die das Messer auf der Narbe an der Schläfe hinterlassen hatte. Er entkleidete ihn vorsichtig, während das Blut das Laken tränkte. Nachdem er ihm oberflächlich die Wunde verbunden hatte, zog er ihm eine Hose und einen dicken Pullover an. Schließlich schnürte er ihm die Springerstiefel zu.
    »Schmink mich ab …«
    Palermo nahm einen Wattebausch aus der Schublade des Nachttischs und tränkte ihn mit einer Flüssigkeit aus einem blauen Fläschchen. Dann strich er damit über Luz’ zartes Gesicht. Unter dem roten Lippenstift waren seine Lippen blutleer.
    »Fertig …«, sagte Palermo danach.
    »Gefalle ich dir …?«
    »Du bist wunderschön.«
    Luz lächelte noch einmal.
    »Bring mich bitte auf die Terrasse …«
    Palermo nahm ihn in die Arme. Hob ihn hoch und trug ihn hinauf auf das
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