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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus
Autoren: Luca Di Fulvio
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eigentlich sind. Hinter ihnen trottet ein alter Hund her, mit gesenktem Kopf, und auch seine Zunge hängt schlaff aus dem Maul, als wäre sie zwischen den nunmehr zahnlosen Kiefern eingeschlafen. Aber sein Schwanz wedelt stolz und glücklich. In dieser idyllischen Landschaft bleibt die Frau auf einmal stehen und packt ihren Liebsten bei den Schultern, ganz so, als wäre sie der Mann, zieht ihn zu sich heran … und küsst ihn auf den Mund. Die eine Hälfte ihrer Gesichter leuchtet im orangefarbenen Licht der Abendsonne, die andere Hälfte liegt im Schatten … so wie nur eine Hälfte von ihnen schöner ist, als sie in Wirklichkeit sind, und die andere Hälfte hässlicher. »Ich liebe dich«, will er gerade sagen. »Ich liebe dich und ich würde alles für dich tun. Auch hier auf der Stelle meinen alten geliebten Hund umbringen, wenn du mich darum bittest«, aber sie legt ihm eine Hand auf den Mund und sagt: »Ich weiß, dass du mich liebst … Aber wärst du in der Lage, hier auf der Stelle deinen alten geliebten Hund umzubringen, wenn ich dich darum bitte?« Der Mann starrt sie an, er überlegt und dann sagt er: »Aber warum bittest du mich jetzt darum?« Inzwischen ist die Sonne untergegangen und hat jene Hälfte endgültig ausgelöscht, die sie schöner aussehen ließ, als sie jemals waren. Ihre Gesichter liegen nun im Schatten. Keine Glanzlichter ruhen mehr auf ihren Haaren. Und seine Augen strahlen nicht mehr so wie vorher. Der alte Hund wackelt mit seinem kahlen Kopf hin und her, hat seinen Schwanz ein wenig eingezogen, während er seinem Herrchen folgt, denn hier trennen sich die Wege des Mannes und der Frau. Bald wird es dunkel sein und dann kann man ihre Gesichter nicht mehr erkennen, schwarz sind sie, schwarz in der Schwärze der Nacht …
    Giuditta sah, dass Giacomo ein wenig weiter unten einen kurzen Satz mit Rotstift hinzugefügt hatte, bevor er das Blatt wegegeworfen hatte:
    Und auf die Nacht folgt der Morgen.
    Die Sonne ging unter und Giuditta saß immer noch auf der Rutsche, starrte auf diese blaue Linie am Horizont, die das Ende der Welt und den Beginn der Zukunft darstellte.
    Sie spürte seine Gegenwart, noch bevor er sich schweigend neben sie setzte, ihre Hand nahm und ebenfalls auf das Meer hinaussah.
    So blieben sie eine ganze Weile schweigend sitzen, bis die Sonne schließlich das Ende des Tages ankündigte und das Feld für einen kalten Wind räumte, der nun Giudittas lange aschblonde Haare zauste.
    »Ich wünschte mir, dass dieses Haus das Heim eines Kindes wäre«, sagte Giacomo.
    Und seine Worte überschnitten sich mit dem, was Giuditta sagte: »Ich habe beschlossen, wieder zur Universität zu gehen.«
    Dann sahen sie einander an und lachten laut.
    Giuditta kuschelte sich enger in den dicken Pullover, um sich gegen die kalte Luft zu schützen.
    »Bist du dir sicher?«, fragte Giacomo, während er ihr den Arm um die Schultern legte.
    Giuditta lachte noch einmal.
    »Sicher sollten wir erst einmal lernen, nicht gleichzeitig loszureden.«
    »Und sicher ist die Universität jetzt geschlossen«, sagte Giacomo, während er aufstand und sie bei der Hand nahm.
    Hand in Hand gingen sie zwischen den Weinreben hindurch, die steilen Stufen zur Terrasse hinauf und von dort ins Haus.
    »Aber für das andere gibt es ja wohl keine festen Zeiten, oder?«, sagte Giacomo lächelnd und schloss die Tür hinter ihnen.

Danksagung
    Wie immer schulde ich Carla den meisten Dank.
    Und zum zweiten Mal danke ich dem Psychiater Dottor Roberto Fornara.
    Außerdem gilt mein ehrlicher Dank auch Valentina Balzarotti Barbieri, die seit fünfzehn Jahren beständig Vertrauen in meine Arbeit setzt.

Über den Autor
    Luca Di Fulvio, geb. 1957, lebt und arbeitet in Rom, wo er als freier Schriftsteller arbeitet.
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